- Der Jünger des Teufels
Schizophrenie und einem frühen Abendessen hat er seine
Vorhänge um neun Uhr zugezogen und sein Zimmer nicht mehr verlassen. Wir
brauchen mehr Zeit, um ihn zu beobachten. Vielleicht viel mehr Zeit.«
»Mist. Was ist mit dem Mann, der den Toyota gemietet hat?«
»Seine Beschattung war ebenfalls negativ. Er hat sich vor
vier Stunden eine Prostituierte bestellt. Eine Frau mit großem Busen, Löwenmähne,
langen Beinen und High Heels. Sie hat ihn nach einer Stunde wieder verlassen.
Kurz darauf wurde der Mann im Rollstuhl durch die Lobby zu einem wartenden
Rettungswagen geschoben. Er klagte über Schmerzen in der Brust. Möglicherweise
hat er einen Herzanfall erlitten. Seitdem liegt er im Krankenhaus.«
»Verdammt«, sagte Lou mit einem müden Seufzer. »So langsam
glaube ich, dass wir diesen Scheißkerl nie erwischen. Hoffentlich ist er kein
zweiter Green River Killer, der erst gefasst wird, wenn er alt ist und mit dem
Morden aufgehört hat.« Lou ließ sich auf den Stuhl neben dem Bett sinken. »Ich
glaube, es ist Zeit, dass ich Ihnen etwas sage, Kate.«
Ich hatte das Gefühl, dass ich jetzt endlich den wahren Grund
für Lous Besuch erfahren würde. »Schießen Sie los.«
Blitze zuckten über den Himmel. Lou schaute kurz weg, als suchte
er nach den richtigen Worten, ehe er wieder mir den Blick zuwandte. »Der Jünger
ist vor nunmehr sechseinhalb Jahren zum ersten Mal auf unserem Radarschirm
aufgetaucht. Nachdem wir eine Verbindung zwischen zweien seiner Doppelmorde in
Chicago und Washington herstellen konnten, hat das FBI eine Sondereinheit
gebildet und setzt seitdem alles daran, den Kerl zu fassen. Seit vier Jahren
leiten Sie diese Sondereinheit, nachdem ich Ihnen nach meiner Beförderung die
Zügel übergeben habe. In dieser Zeit hat kein Agent mehr Energie in die
Ermittlungen gesteckt als Sie. Sie haben sieben Tage die Woche gearbeitet, vierundzwanzig
Stunden am Tag, seitdem Sie die Leitung der Sondereinheit übernommen haben. Ich
weiß nicht, wie Sie das machen. Ich und jeder andere in Ihrem Team wären längst
zusammengebrochen oder hätten das Handtuch geworfen.«
Ich war auf der Hut. »Warum werde ich das Gefühl nicht los,
dass gleich ein Aber kommt?«
Lou seufzte. »Kate, ich glaube, es ist Zeit, dass Sie einem
anderen die Zügel übergeben.«
Ich starrte Lou fassungslos an. Die grenzenlose
Verzweiflung, die ich noch wenige Minuten zuvor verspürt hatte, wurde von Wut
verdrängt. Ich fühlte mich in meinem Stolz verletzt. »Sie wollen mich ablösen lassen?«
»Sie haben eine der schwierigsten Ermittlungen geleitet,
mit denen das FBI-Büro Washington es jemals zu tun hatte, Kate. Jetzt brauchen
Sie eine Pause. Sie jagen nicht nur einen Serienkiller, der achtundzwanzig
Menschen getötet hat. Seit sechs Monaten jagen Sie den Irren, der Ihren
Verlobten und seine vierzehnjährige Tochter auf dem Gewissen hat. Es ist für
Sie eine persönliche Sache geworden. Sie werden sich noch zugrunde richten, um
diesen Scheißkerl zu erwischen.«
Ich spähte auf meine Glock auf dem Nachtschrank und fragte mich,
was Lou wohl sagen würde, wenn er wüsste, wie verzweifelt ich noch vor zehn
Minuten gewesen war. Ich trug noch immer den Verlobungsring, den David mir
geschenkt hatte, einen schlichten Weißgoldring mit Brillanten. Er erinnerte
mich daran, dass ich Davids und Megans Tod noch nicht überwunden hatte – und
manchmal glaubte ich, es niemals zu schaffen.
Ich blickte Lou in die Augen. »Wir wissen beide, dass es
der Jünger war, der eine persönliche Sache daraus gemacht hat, nicht ich. Er
wusste aus den Medien, dass ich ihm im Nacken saß, und er hat David und Megan
getötet, weil er hoffte, mich dadurch aus dem Gleichgewicht zu bringen. Doch er
hat meine Entschlossenheit nur stärker gemacht. Sehen Sie denn nicht, Lou, dass
Sie sich geschlagen geben, wenn Sie mir den Fall aus der Hand nehmen? Dann wird
dieser Irre gewinnen.«
Lou schüttelte den Kopf. »Kate, Sie müssen den Tatsachen ins
Auge sehen und zugeben, dass die Ermittlungen trotz Ihrer Anstrengungen zu
nichts führen. Jemand anders muss das Ruder übernehmen. Sie schuften sich zu
Tode, wenn Sie nicht aufpassen.«
Tief im Innern wusste ich, dass Lou Recht hatte. Der
ungeheure Stress hinterließ Spuren, und das machte mir Angst. Es passte nicht
zu mir, dass ich vor wenigen Minuten mit meiner Dienstwaffe hantiert hatte.
Nicht einmal mit dem Gedanken an Selbstmord zu spielen entsprach meinem
Charakter. »Geben Sie mir noch zwei Monate, Lou.«
»Ich
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