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Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Titel: Der Junge, der Ripley folgte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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erregt, glaube ich. Sie auch, aber… Eigentlich ist gar nichts passiert. Es war in der Stadtwohnung ihrer Eltern, in New York. Alle waren ausgegangen, wir hatten sämtliche Türen verschlossen. – Und sie hat gelacht.« Frank sah ihn an, als habe er gerade etwas festgestellt, eine Tatsache, nicht einmal eine, die weh tat. Nur eine Tatsache.
    »Über dich?« Tom gab sich Mühe, seine Neugier zu verbergen. Er zündete sich eine Roth-Händle an, das deutsche Gegenstück zur Gauloise.
    »Ob über mich, das weiß ich nicht. Kann sein. Ich fühlte mich furchtbar. Das war so peinlich. Ich wollte mit ihr schlafen und konnte es nicht… zu Ende bringen. Verstehen Sie?«
    Tom glaubte schon. »Möglich, daß sie mit dir gelacht hat.«
    »Ich habe versucht, darüber zu lachen. Erzählen Sie niemandem davon, ja?«
    »Klar. Wem denn auch?«
    »Die andern Jungs in der Schule haben immer angegeben. Ich glaube, die Hälfte davon war gelogen. Ich weiß, daß sie lügen. Pete, er ist ein Jahr älter, ich mag ihn gern, aber er sagt nicht immer die Wahrheit, da bin ich sicher. Über Mädchen, meine ich. Klar, die Sache ist ganz einfach, glaub ich, wenn man das Mädchen nicht wirklich gern hat. Verstehen Sie? Was weiß ich. Dann denkt man nur an sich, daß man ein harter Kerl ist und es tun will, und alles ist okay. Aber ich – ich liebe Teresa seit Monaten. Seit sieben Monaten mittlerweile. Seit dem Abend, als ich sie kennenlernte.«
    Tom legte sich eine Frage zurecht: Hatte Teresa andere Freunde, mit denen sie vielleicht ins Bett ging? Doch er konnte sie nicht stellen, weil über das Geklapper und die Gespräche im Gasthaus hinweg laut der einleitende Akkord einer Melodie ertönte.
    An der Wand weit gegenüber passierte etwas. Tom kannte die Vorstellung schon. Drüben waren die Lichter angegangen, und die ausgelassene Ouvertüre des Freischütz dröhnte aus einem altersschwachen Plattenspieler. An der Wand ragte ein Tableau mit den Silhouetten ausgeschnittener Geisterhäuser eine Handbreit hervor: Eine Eule hockte in einem Baum, der Mond schien, Blitze zuckten, und von schräg rechts oben regnete es echte Wassertropfen. Es donnerte sogar, was so klang, als würden hinter der Bühne große Bleche gegeneinander geschlagen. Ein paar Gäste standen auf, um besser sehen zu können.
    »Das ist total verrückt!« Frank grinste. »Kommen Sie, wir schauen zu!«
    »Sieh du es dir an«, sagte Tom, und der Junge ging. Tom wollte sitzen bleiben, um aus der Ferne zu überprüfen, ob jemand den Jungen beachtete.
    Frank trug Toms blauen Blazer und seine eigene braune Cordhose, die ein Stück zu kurz war – der Junge mußte seit dem Kauf gewachsen sein. Die Hände in den Hüften, betrachtete er das tableau presque vivant. Soweit Tom sehen konnte, beachtete ihn niemand.
    Die Musik endete mit lauten Beckenschlägen, die Scheinwerfer erloschen, der Regen versiegte, und die Leute kehrten zu ihren Tischen zurück.
    »Tolle Idee!« Frank schlenderte heran, er schien entspannt. »Der Regen fällt in einen kleinen Gully vor der Wand, wissen Sie? Kann ich Ihnen noch ein Bier holen?« fragte er diensteifrig.
    Kurz vor eins bat Tom einen Taxifahrer, sie zu einer Bar namens Glad Hand zu fahren. Tom wußte die Straße nicht; irgendwer, womöglich sogar Reeves, hatte ihm von der Bar erzählt.
    »Meinen Sie vielleicht den Glad Ass?« Der Fahrer sprach deutsch, doch der Name war englisch.
    »Wie Sie meinen.« Tom wußte, daß die Berliner ihre Bars und Kneipen untereinander anders nannten. Kein Schild vor der Bar wies auf sie hin, nur an der Wand neben dem Eingang hing hinter Glas eine Preisliste der Getränke und kleinen Speisen, doch drinnen wummerte Discomusik. Tom drückte die braune Tür auf – und eine hochgewachsene, gespenstische Gestalt stieß ihn spielerisch zurück.
    »Nein, nein, du kommst hier nicht rein!« rief der Mann, griff ihn dann aber vorn am Pullover und zog ihn in die Bar.
    »Sie sehen bezaubernd aus!« rief Tom zurück. Der Mann, der ihn hereingeholt hatte, war über einsachtzig und trug eine schmuddelige Musselinrobe, deren Saum über den Boden schleifte. Sein Gesicht war eine Maske aus weißer und rosaroter Schminke.
    Tom versicherte sich, daß Frank hinter ihm blieb, und bahnte sich einen Weg in Richtung Theke, was unmöglich schien, so dicht war das Gedränge – ausschließlich Männer, ältere und ganz junge, die alle durcheinanderschrien. Anscheinend gab es zwei oder gar drei große Räume zum Tanzen. Viele taxierten den Jungen und

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