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Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Titel: Der Junge, der Ripley folgte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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sprachen ihn an, als er zu folgen versuchte. »Ach, was soll’s?« sagte Tom zu ihm, gut gelaunt die Achseln zuckend: Er glaubte nicht, je bis zur Theke durchzukommen, Bier oder sonstwas bestellen zu können. An den Wänden standen Tische, doch die waren alle mehr als voll, denn um die sitzenden Männer standen andere Kerle und sprachen mit ihnen.
    »Hoppla!« brüllte ein zweiter Mann in Frauenkleidern – wie Tom beinah leicht beschämt feststellte, wohl weil er nicht schwul aussah. Ein Wunder, daß man sie nicht hinauswarf; womöglich hatte er das dem Jungen zu verdanken. Was ihn auf einen angenehmeren Gedanken brachte: Man beneidete ihn, weil er in Begleitung eines gutaussehenden Sechzehnjährigen war. Das wurde ihm jetzt bewußt. Er mußte lächeln.
    Ein Kerl in Leder forderte Frank auf.
    »Nur zu!« rief Tom.
    Frank schien kurz verwirrt, ja verängstigt, dann fing er sich wieder und ging mit dem Mann zur Tanzfläche.
    »…von meinem Vetter in Dallas !« schrie jemand, der Stimme nach Amerikaner, einem Burschen zu seiner Linken zu. Tom rückte weg.
    »Dallas – Fort Wört !« erwiderte der deutsche Begleiter des Mannes.
    » Naw, das ist der Scheißflughafen. Ich meine die Stadt. Die Bar heißt Friday. Schwulenbar, aber auch Mädchen!«
    Tom drehte ihnen den Rücken zu, bekam irgendwie eine Hand auf die Thekenstange und schaffte es, zwei Bier zu bestellen. Die drei Barmänner (oder Barfrauen) trugen zerschlissene Jeans, aber auch Perücken, Rouge, Rüschenblusen und ein stockschwules Lippenstiftlächeln. Betrunken schien keiner, doch alle wirkten hemmungslos glücklich. Tom hielt sich mit einer Hand an der Theke fest und suchte auf den Zehenspitzen nach Frank: Der Junge tanzte noch wilder als mit dem Mädchen im Romy Haag. Anscheinend war ein zweiter Mann zu ihnen gestoßen, doch Tom war sich nicht sicher. Dann senkte sich eine goldbemalte, überlebensgroße Adonisstatue von der Decke und rotierte waagerecht über der Tanzfläche, während von oben bunte Ballons herabschwebten, sich drehten und wieder aufstiegen, hochgewirbelt von den dichtgedrängten Tänzern. Auf einem Ballon stand MOTHERFUCKER in schwarzer Frakturschrift, andere wiesen Zeichnungen oder Worte auf, die Tom von seinem Standort nicht erkennen konnte.
    Frank bahnte sich seinen Weg zurück zu ihm. »Sehen Sie mal, ein Knopf ist abgerissen – tut mir leid, konnte ihn auf der Tanzfläche nicht finden, jemand hat mich umgeschubst, als ich danach suchte.« Der mittlere Knopf des Blazers fehlte.
    »Das macht nichts. Dein Bier!« Tom gab dem Jungen ein hohes Tulpenglas.
    Frank trank durch den Schaum. »Die haben so viel Spaß!« schrie er. »Und das ganz ohne Mädchen!«
    »Warum bist du dann zurückgekommen?«
    »Die andern beiden haben sich gestritten, nichts Schlimmes. Der erste Typ sagte irgendwas, ich hab’s nicht verstanden.«
    »Egal.« Tom konnte sich vorstellen, was das war. »Du hättest ihn bitten sollen, englisch zu sprechen.«
    »Hat er ja, und ich hab’s trotzdem nicht verstanden!«
    Ein paar Männer hinter Tom starrten den Jungen an, der ihm zuschrie, es sei ein besonderer Abend, jemand habe Geburtstag, daher die Luftballons. Die laute Musik machte Reden beinah unmöglich, was allerdings auch überflüssig war, weil die Männer sehen konnten, was der andere zu bieten hatte, und mit ihm weggehen oder Adressen tauschen konnten. Frank wollte nicht noch einmal tanzen, also tranken sie ihr Bier aus und gingen.
    Am Sonntag morgen erwachte Tom kurz nach zehn und rief unten an, ob es noch Frühstück gebe. Ja, sagte man ihm. Dann wählte er die Zimmernummer des Jungen. Nichts. Ob er spazierengegangen war? Tom zuckte die Achseln – bewußt oder unwillkürlich? Was, wenn der Junge auf der Straße Probleme bekäme, von einem aufmerksamen Polizisten angesprochen würde: »Wie heißt du? Paß oder Ausweis, bitte.« War er mit Frank verbunden wie durch eine Nabelschnur? Nein. Oder falls doch, dann mußte er sie kappen. Morgen würde sie sowieso durchtrennt werden, wenn der Junge die Maschine nach New York nahm. Tom warf eine zusammengeknüllte Zigarettenschachtel nach dem Papierkorb, verfehlte ihn, mußte aufstehen und sie aufheben.
    Ein leises Klopfen an der Tür, mit den Fingerspitzen, so wie er selber es tat.
    »Frank.«
    Tom ließ ihn herein.
    Er hatte eine durchsichtige grüne Plastiktasche mit Obst dabei. »Bin spazierengegangen. Unten hörte ich, Sie hätten Frühstück bestellt, daher wußte ich, daß Sie wach sind. Ich habe auf deutsch

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