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Der junge Gelehrte

Der junge Gelehrte

Titel: Der junge Gelehrte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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unschuldige? und ich werde also wohl die Schuldige sein? Halten Sie mich nicht laenger—
    Lisette . Wann ich mich nun nicht bald dazwischenlege, so werden sie sich vor lauter Liebe zanken.—Was Sie tun sollen, Herr Valer? eine grosse Frage! Himmel und Hoelle rege machen, damit die gute Jungfer nicht muss! Den Vater auf andre Gedanken bringen; den Sohn auf Ihre Seite ziehen.—Mit dem Sohne zwar hat es gute Wege; den ueberlassen Sie nur mir. Der gute Damis! Ich bin ohne Zweifel das erste Maedchen, das ihm schmeichelt, und hoffe dadurch auch das erste zu werden, das von ihm geschmeichelt wird. Wahrhaftig; er ist so eitel, und ich bin so geschickt, dass ich mich wohl noch zu seiner Frau an ihm loben wollte, wenn der verzweifelte Vater nicht waere!—Sehen Sie, Herr Valer, der Einfall ist von Mamsell Julianen! Erfinden Sie nun eine Schlinge fuer den Vater—
    Juliane . Was sagst du, Lisette? von mir? O Valer, glauben Sie solch rasendes Zeug nicht! Habe ich dir etwas anders befohlen, als ihm einen schlechten Begriff von mir beizubringen?
    Lisette . Ja, recht; einen schlechten von Ihnen—und wenn es moeglich waere, einen desto bessern von mir.
    Juliane . Nein, es ist mit euch nicht auszuhalten—
    Valer . Erklaeren Sie wenigstens, liebste Juliane—
    Juliane . Erklaeren? und was? Vielleicht, dass ich Ihnen in die Arme rennen will und wann ich auch alle Tugenden beleidigen sollte? dass ich mich mit einer Begierde, mit einem Eifer die Ihrige zu werden bemuehen will, die mich in Ihren Augen notwendig einmal veraechtlich machen muessen? Nein, Valer—
    Lisette . Hoeren Sie denn nicht, dass sie uns gern freie Hand lassen will? Sie macht es wie die schoene Aspasia—oder wie hiess die Prinzessin in dem dicken Romane? Zwei Ritter machten auf sie Anspruch.
    Schlagt euch miteinander, sagte die schoene Aspasia; wer den andern ueberwindet, soll mich haben.
    Zweiter Aufzug
    20
    Der junge Gelehrte
    Gleichwohl aber war sie dem Ritter in der blauen Ruestung guenstiger als dem andern—
    Juliane . Ach, die Naerrin, mit ihrem blauen Ritter—(Reisst sich los und geht ab.) Zweiter Auftritt
    Lisette . Valer.
    Lisette . Ha! ha! ha!
    Valer . Mir ist nicht laecherlich, Lisette.
    Lisette . Nicht? Ha! ha! ha!
    Valer . Ich glaube, du lachst mich aus.
    Lisette . Oh, so lachen Sie mit! Oder ich muss noch einmal darueber lachen, dass Sie nicht lachen wollen. Ha!
    ha! ha!
    Valer . Ich moechte verzweifeln! In der Ungewissheit, ob sie mich noch liebt—
    Lisette . Ungewissheit? Sind denn alle Mannspersonen so schwer zu ueberreden? Werden sie denn alle zu solchen aengstlichen Zweiflern, sobald sie die Liebe ein wenig erhitzt? Lassen Sie Ihre Grillen fahren, Herr Valer, oder ich lache aufs neue. Spannen Sie vielmehr Ihren Verstand an, etwas auszusinnen, um den alten Chrysander—
    Valer . Chrysander traut mir nicht und kann mir nicht trauen. Er kennt meine Neigung zu Julianen. Alle mein Zureden wuerde umsonst sein; er wuerde den Eigennutz, die Quelle davon, gar bald entdecken. Und wenn ich auch eine voellige Anwerbung tun wollte; was wuerde es helfen? Er ist deutsch genug, mir gerade ins Gesicht zu sagen, dass ich seinem Sohne hier nachstehen muesse, welcher wegen der Wohltaten des Vaters das groesste Recht auf Julianen habe.—Was soll ich also anfangen?
    Lisette . Mit den wunderlichen Leuten, die nur ueberall den ebenen Weg gehen wollen! Hoeren Sie, was mir eingefallen ist. Das Dokument, oder wie der Quark heisst, ist das einzige, was Chrysandern zu dieser Heirat Lust macht, so dass er es schon an seinen Advokaten geschickt hat. Wie wenn man von diesem Advokaten einen Brief unterschieben koennte, in welchem—in welchem—
    Valer . In welchem er ihm die Gueltigkeit des Dokuments verdaechtig macht; willst du sagen? Der Einfall ist so unrecht nicht! Aber—wenn ihm nun einmal der Advokate ganz das Gegenteil schreibt, so ist ja unser Betrug am Tage.
    Lisette . Was fuer ein Einwurf! Freilich muessen Sie ihn stimmen. Es ist von jeher gebraeuchlich gewesen, dass es sich ein Liebhaber etwas muss kosten lassen.
    Valer . Wenn nun aber der Advokat ehrlich ist?
    Lisette . Tun Sie doch, als ob Sie seit vier Wochen erst in der Welt waeren. Wie die Geschenke so ist der Advokat. Kommen gar keine, so ist der niedertraechtigste Betrueger der redlichste Mann. Kommen welche, aber nur kleine, so haelt das Gewissen noch so ziemlich das Gleichgewicht. Es steigen alsdenn wohl Versuchungen bei ihm auf; allein die kleinste Betrachtung schlaegt sie wieder nieder. Kommen aber

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