Der Kaefig - Roman
aber sie waren alle aus Stein gehauen. Nichts rührte sich.
Tag stieg zurück über die Kordel.
»Keiner zu Hause«, sagte er. »Der Sarg ist leer.«
»Können wir jetzt gehen?«, fragte Susan.
»Klar.«
»Lass uns den Haupteingang nehmen. Ich glaube, wenn ich nochmal durchs Treppenhaus muss, bekomme ich einen Nervenzusammenbruch.«
»Gut.« Er warf ihr einen beruhigenden Blick zu.
Sie schritten leise den mit Teppich ausgelegten Gang entlang und die geschwungene Haupttreppe hinab. Susan suchte wieder für Tag den Schlüssel heraus, und kurz darauf traten sie durch eine der großen Glastüren ins Freie. Susan atmete tief die warme Nachtluft ein. »Ein schönes Gefühl, draußen zu sein«, murmelte sie.
»Noch schöner wird es, wenn wir nach Hause kommen. «
Sie gingen die Betontreppe hinab. Susan verpasste eine Stufe und stolperte nach vorn. Tag streckte den Arm nach ihr aus.
Er griff ins Leere.
Sie drehte sich in der Luft, um nicht auf Geoffrey zu fallen. Mit Schulter und Hüfte schlug sie auf den Bürgersteig.
Ein heftiger Ruck ging durch ihre Nackenmuskeln. Sie drehte sich auf den Rücken. Geoffrey begann zu schreien.
»Alles in Ordnung?«, fragte Tag.
»Ich glaub schon. Mein Gott, was bin ich für ein Tollpatsch. «
Er half ihr auf die Beine.
Sie drückte Geoffrey an sich und klopfte ihm sanft auf den Rücken. »Ist schon gut, Süßer. Schhh, schhh …« Zu Tag sagte sie: »Der kleine Mann hat sich zu Tode erschreckt. «
»Der große Mann auch. Bist du sicher, dass alles okay ist?«
»Ich habe mir wahrscheinlich ein paar schöne blaue Flecken geholt.«
Geoffrey heulte weiter, während sie zur Rückseite des Museums gingen. Das Geräusch schallte über das offene Feld.
»Ich habe ein Fläschchen im Auto«, sagte Susan. »Das wird ihn beruhigen.« Sie küsste das nasse Gesicht des Babys. »Das war ein ziemlicher Schock für dich, was? Du wusstest ja nicht, dass deine Mutter zwei linke Füße hat.«
»Ich hoffe, er hat sie nicht geerbt. Dann wird es schwierig, Schuhe für ihn zu bekommen.«
»Ja, du willst dein Fläschchen, stimmt’s? Dann ist wieder alles gut, oder?«
Sie kamen zum Auto. Tag öffnete die Tür für Susan. Sie stieg ein. Während Tag zur anderen Seite eilte, zog sie ein Fläschchen aus ihrer Wickeltasche. Sie drückte mit dem Daumen die Kappe ab und schob den Schnuller in Geoffreys großen rosigen Mund. Sofort hörte er auf zu
schreien. Er saugte an dem Nippel, und es gluckerte in der Flasche, als er den Brei trank. Susan sah durch das durchsichtige Plastik, wie Bläschen aufstiegen.
Der nächtliche Ausflug hatte ihren Sohn hungrig gemacht.
»Schh«, beruhigte sie ihn.
»Großartig«, flüsterte Tag. »Gelobt sei das magische Fläschchen.«
Susan lächelte. »Jetzt schläft er ruckzuck ein.«
Während er das Cabrio vom Parkplatz steuerte, legte er Susan einen Arm um die Schultern. »Das war eine harte Nacht.«
»Ich wünschte, wir könnten einfach nach Hause fahren. Schlafen gehen. Alles vergessen.«
»Wir bringen ihnen einfach die Fotos der alten Dame vorbei und lassen den Rest ihre Sorge sein.«
Die lange gerade Straße führte durch den Museumspark. Auf beiden Seiten standen Kirschbäume. Hinter den Bäumen lag die Anlage friedlich und verlassen im Mondlicht.
»Diese ganze Sache … ich weiß nicht … Ich hatte immer ein schönes Leben. Zumindest, was die grundlegenden Dinge angeht.« Sie zuckte schläfrig mit den Schultern. »Und jetzt das alles.« Sie streichelte Geoffrey über den Kopf. »Dieser ganze Alptraum um uns herum. Verstehst du, was ich meine? Verdammt, du bist Polizist; du kennst dich besser mit solchen Dingen aus.«
»Das Leben ist wie ein Spaziergang durch den Park«, sagte Tag. »Genieße es, aber pass auf die Hundehaufen auf.«
Sie lachte müde.
Tag grinste.
Dann stieß er einen Schrei aus.
Der Wagen brach zur Seite aus. Susan wirbelte herum und sah die Mumie hinter dem Fahrersitz. Das kupferfarbene Haar umrahmte ihren Kopf, das augenlose Gesicht ragte drohend über Tag auf, die Lippen zurückgezogen, die Zähne entblößt. Ihr Kiefer hatte sich in Tags Schulter verbissen. Die Mumie begann, Hemd und Fleisch zu zerfetzen.
Geoffrey weinte.
»Das Beil!«, brüllte Tag.
Es hatte zwischen ihnen auf dem Sitz gelegen. Jetzt war es verschwunden.
64
Eine Hupe ertönte. Scheinwerferlicht fiel in den Wagen, während die Kreatur mit ihren runzligen Händen in Tags Haar und Gesicht griff. Ihre Zähne schnappten nach seiner Wange.
Susan riss das
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