Eiskaltes Schweigen
1
»Die Leiche heiÃt A Punkt Bovary«, verkündete der junge uniformierte Kollege mit vor Aufregung roten Ohren. »Wie es aussieht, ist sie erstochen worden.«
Vermutlich war das, was hinter der angelehnten Wohnungstür lag, der erste Mordfall in seiner Polizisten-Laufbahn. Die Uniform des pickligen Mannes war zu weit, als müsste er erst noch hineinwachsen, und die Mütze saà auf seinem Kopf, als wäre es nicht seine. Er gehörte zur Besatzung eines der beiden Streifenwagen, die ich eben mit sinnlos zuckenden Blaulichtern vor dem Hauseingang gesehen hatte. Den Namen der Toten hatte er von einem handbeschriebenen Schildchen unter dem abgegriffenen Klingelknopf abgelesen.
Wir â vier etwas übernächtigt dreinschauende Schutzpolizisten, eine fröstelnde ältere Dame in Rosa und ich selbst â standen im neonbeleuchteten Flur des vierzehnten Stocks eines Hochhauses am Rand von Heddesheim. Es war Sonntagmorgen, der achtzehnte Januar, meine Uhr zeigte sieben Minuten nach fünf, und mir war gar nicht gut.
An der Tür, hinter der die aus meiner Perspektive zum Glück nicht sichtbare Tote lag, hielt mit ernster Miene ein stämmiger Kollege Wache. Er hatte sich seine Mütze unter den Arm geklemmt.
»Es ist alles veranlasst«, verkündete er selbstbewusst. »Ihre Kollegen sind schon unterwegs, Herr Kriminaloberrat.«
»Wer war drin?«, fragte ich und unterdrückte ein Gähnen.
»Ich.« Der Dicke hob das Kinn noch ein wenig höher. »Sie ist wirklich mausetot, Herr Kriminaloberrat. Nichts mehr zu machen.«
Alle zuckten zusammen, als ein scheppernder Gong ertönte. Einer der beiden Aufzüge stoppte, und die Tür glitt mit eierndem Quietschen auf. Drei Kollegen und zwei Kolleginnen vom Kriminaldauerdienst gesellten sich zu uns. Einzig eine kleine, energisch um sich blickende Aschblonde, an deren Namen ichmich nicht erinnern konnte, schien schon â oder immer noch â halbwegs wach zu sein.
»Irgendeine Sau hat den Aufzug vollgekotzt!«, beschwerte sich der Anführer der Gruppe. Ihn kannte ich gut: Rolf Runkel, trotz seines fortgeschrittenen Alters immer noch Oberkommissar und leider nicht der intelligenteste meiner Untergebenen. Vielleicht war es doch nicht so dumm gewesen, vorhin den Taxifahrer zu bitten, die Fahrtrichtung zu ändern und mich zum Tatort statt nach Hause zu fahren. Auch ich hatte den falschen Lift erwischt, und mein Magen rebellierte immer noch bei dem Gedanken an die stinkende, grüngelbe Pfütze am Boden.
Der junge Schupo mit den roten Ohren nahm wieder Haltung an und wiederholte seinen Bericht. Bei aller Aufregung machte er seine Sache nicht einmal schlecht. Unauffällig sah ich mich nach einer Sitzgelegenheit um. Meine Augen brannten, mein Kopf dröhnte, mein Magen wollte sich nicht beruhigen. Aber meine Suche nach einem Stuhl war vergeblich, so lehnte ich mich möglichst unauffällig an die Wand.
Die tote Frau liege im Flur des Einzimmerappartements nur zwei Schritte hinter der angelehnten Tür, hörte ich ein zweites Mal, und ich meinte, ihr schweres Parfüm zu riechen.
»Sie ist bestimmt erstochen worden«, beendete er seinen Rapport. »Da drin ist unglaublich viel Blut.«
»Was ist mit der Tatwaffe?«, fragte ich und rieb mir die Augen.
»Hab ich nicht gesehen«, erwiderte der mit dem Bauch sofort. »Aber ich bin da drin natürlich auch nicht groà hin und her gelaufen.«
Ich nickte. Die beiden hatten es richtig gemacht. Nur einer darf bei Verdacht auf eine nicht natürliche Todesursache den potenziellen Tatort betreten, und seine einzige Aufgabe ist festzustellen, ob es noch etwas zu retten gibt. Im Fall eines offensichtlichen Gewaltverbrechens hieà es: Nichts anfassen, darauf achten, wohin man seine FüÃe setzt, und so schnell wie möglich wieder hinaus. AnschlieÃend hat der Betreffende den Eingang zu bewachen und niemanden hineinzulassen, der am Tatort nichts verloren hat. Das bekommt jeder Polizist im Lauf seiner Ausbildung eingebläut.
»Haben Sie das schon gesehen?« Ich wies auf deutlich sichtbare Blutspuren am Boden, die sich erst wenige Meter vor den Aufzugtüren verloren. »Waren Sie das?«
»Was denken Sie denn!« Der Türbewacher schüttelte entrüstet den Kopf. »Sieht ganz so aus, als wäre der Mörder in das Blut getreten.«
An manchen der Abdrücke war deutlich
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