Der Kaefig - Roman
leisen flapp , ähnlich dem Geräusch eines auf der Wäscheleine flatternden Lakens, verschlangen die Flammen das Cabrio.
Und Amaras Torso.
Tag brachte sich in Sicherheit. Nach ein paar Sekunden explodierte der Tank, und ein Feuerball stieg in den Nachthimmel auf.
In dem roten Licht sah Tag für Susan aus wie ein seltsamer Rachegeist, als er den abgetrennten Arm der Mumie aufhob und in die Flammen warf.
Das Feuer verschlang die dünnen trockenen Gliedmaßen gierig, und blaue Funken stoben aus den knackenden Knochen.
Tag humpelte zu ihr. Er lächelte Geoffrey an und streichelte seine Wange, dann legte er Susan einen Arm um den Rücken. Sie lehnte sich an ihn und genoss die Kraft in seinem Arm.
»Schade um dein Auto«, sagte sie mit schwacher Stimme.
»Nach der Mitfahrerin wäre es sowieso nicht mehr dasselbe gewesen.« Er lachte erschöpft.
Susan zuckte zusammen. Keuchte vor Schmerz. Sah nach unten und schrie.
Amaras Kopf verbiss sich in ihrem Knöchel. Das kupferfarbene Haar hing an dem Schädel wie ein Bündel Schlangen.
»Verdammt!«, brüllte Tag.
Susan schüttelte das Bein. Die Zähne nagten sich tiefer in ihr Fleisch. Kauten und schnappten.
»Mein Gott! Mach sie weg! Mach sie weg!«
Tag rannte los, um das Beil zu holen.
»Schnell!« Der Schmerz in ihrem Bein brannte wie Feuer. Sie konnte den Kopf nicht abschütteln. Und sie konnte die Kiefer nicht mit den Händen lösen, denn dazu hätte sie Geoffrey auf den Boden legen müssen. Sie drückte ihn fest an sich. » Tag! «
Er lief zu ihr. Das Beil schnitt sich in Amaras Kopf und spaltete ihn. Aber die Zähne ließen nicht los. Tag schlug noch einmal zu … und noch einmal. Bei jedem Hieb brachen Stücke aus dem Schädel, aber die Schläge ruckten auch an den Zähnen, so dass sie immer mehr Fleisch von Susans Knöchel rissen.
»Schieß doch!«
»Die Kugel könnte deinen Fuß treffen«, keuchte er.
Mit einem letzten Hieb brach er eines der Kiefergelenke. Er zwängte die Klinge zwischen die Knochen.
Und brach sie auseinander.
Die Kiefer öffneten sich. Susan spürte, wie die Zähne ihre Haut losließen.
Obwohl die Kiefer nur noch durch ein einziges Gelenk zusammengehalten wurden, bissen sich die Zähne am Beil fest. Tag versuchte vergeblich, sie abzuschütteln.
Ohne von Susans Seite zu weichen, schleuderte Tag das Beil mit den Überresten von Amaras Kopf auf das brennende Auto.
Das lange Haar fing Feuer. Es knisterte laut.
Rote Funken wirbelten hoch in den Nachthimmel, verblassten – und erstarben schließlich.
Die Originalausgabe
AMARA
erschien 2002 bei Headline Publishing, London
Deutsche Erstausgabe 04/2011
Copyright © 2002 by Richard Laymon
Copyright © 2011 der deutschsprachigen Ausgabe
by Wilhelm Heyne Verlag, München
in der Verlagsgruppe Random House
Published in arrangement with Lennart Sane Agency AB
Redaktion: Sven-Eric Wehmeyer
Satz: C. Schaber Datentechnik, Wels
eISBN 978-3-641-05521-9
www.heyne-hardcore.de
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