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Der Kampf mit dem Dämon

Der Kampf mit dem Dämon

Titel: Der Kampf mit dem Dämon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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Begegnung an. Erschreckt sehen sie in seinem immer mehr verjugendlichten geistigen Gesicht neue Züge, die auf nichts Früheres zurückdeuten; und ihm selbst, dem immerzu Verwandelten, kommt es geradezu gespenstig vor, wenn er seinen eigenen Titel hört, wenn er mit jenem »Professor Friedrich Nietzsche in Basel«, dem Philologen, »verwechselt« wird, mit diesem greisen und weisen Mann, der er selbst einmal vor zwanzig Jahren gewesen zu sein sich nur mühsam erinnert! Vielleicht hat noch nie jemand mit solchem Radikalismus alles von sich weggelebt wie Nietzsche, alles aus sich herausgestoßen, was von früheren Rudimenten und Sentiments noch zurückgeblieben ist: darum auch sein furchtbares Alleinsein in den letzten Jahren. Denn alle Verbindungen mit dem Einst hat er abgerissen; und um sich Neuem zu verbinden, dazu ist das Tempo seiner letzten Jahre, seiner letzten Verwandlungen doch ein zu hitziges. Er saust an allen Menschen, an allen Erscheinungen gleichsam nur vorüber; und je näherer sich selber kommt oder zu kommen scheint, desto hitziger wird seine Gier, sich wieder zu entweichen. Immer radikaler werden die Verfremdungen seines Wesens, immer brüsker seine Sprünge vom Nein zum Ja, seine elektrischen Umschaltungen der inneren Kontakte: er verbrennt sich in unablässigen Selbstaufzehrungen, und sein Weg ist eine einzige Flamme.
    Aber in dem gleichen Maße, als die Verwandlungen sich beschleunigen, werden sie auch gewaltsamer und schmerzhafter. Nietzsches erste »Überwindungen« bedeuten bloß Abschälung knabenhafter, jünglingshafter Gläubigkeiten, mitgelernter, aus der Schule übernommener Autoritätsmeinungen: sie waren leicht hinter sich geworfen wie eine abgesprungenetrockene Schlangenhaut. In je tieferem Sinne er aber Psychologe wird, in um so tiefere Schicht seiner innern Substanz muß er mit dem Messer hinein: je subkutaner, durchnervter, blutdurchdrungener, je mehr vom eigenen Plasma geformter die Überzeugungen werden, um so mehr ist brutale Gewaltsamkeit, Blutverlust und Entschlossenheit vonnöten: es wird »Selbsthenkerdienst«, Shylockarbeit, Schnitt ins offene Fleisch. Schließlich kommen die Selbstbloßlegungen bis in das innerste Erdreich des Gefühls heran, sie werden gefährliche Operationen; die Amputation des Wagner-Komplexes vor allem ist ein solcher schneidendster, fast tödlicher Eingriff in das Innerste seines Leibes, hart an der Herznaht, ein Selbstmord fast, und in dem Grausam-Gewaltsamen seiner Plötzlichkeit eine Art Lustmord auch, denn in liebender Umschlingung, in der Sekunde intimster Annäherung vergewaltigt und erdrosselt sein wilder Wahrheitstrieb die ihm nächste und geliebteste Gestalt. Aber je gewaltsamer, desto lieber: je mehr Blut, je mehr Schmerz, je mehr Grausamkeit Nietzsche eine seiner »Überwindungen« kostet, um so lustvoller genießt sein Ehrgeiz die Probe auf die eigene Willenskraft. Allmählich wird der Selbstzerstörungstrieb Nietzsches geistige Passion: »Ich kenne die Lust am Vernichten in einem Grade, die meiner Kraft zum Vernichten gemäß ist.« Aus dem bloßen Sichverwandeln wächst Lust, sich zu widersprechen, sein eigener Widerpart zu sein: einzelne Aussprüche seiner Bücher schlagen einander brüsk ins Gesicht, jedem Nein setzt der leidenschaftliche Proselyt seiner Überzeugungen herrisch ein Ja, jedem Ja ein Nein entgegen – unendlich reckt er sich aus, um die Pole seines Wesens bis ins Unendliche zu spannen und die elektrische Spannung zwischen diesen beiden äußersten Enden als das wahre Leben des Geistes zu spüren. Immer sich entfliehen, immer sich erreichen – »die sich selbst entfliehende Seele, die sich im weitesten Kreise einholt« –, das treibt am Ende in eine rasende Hitzigkeit hinein, und diese Übertreibung wird sein Verhängnis. Denn gerade, wie er die Form seines Wesens bis ins Äußerste dehnt, birst die Spannung des Geistes: der feurige Kern, die dämonische Urgewalt bricht durch, und das urmächtige Element vernichtet mit einem einzigen vulkanischen Stoß die großartige Folge der Gestalten, die der bildnerische Geist sich aus seinem eigenen Blut und Leben bis hinein in die Unendlichkeit gejagt.
    Entdeckung des Südens
    Wir haben Süden um jeden Preis,
helle, harmlose, muntere, glückliche
und zärtliche Töne nötig.
    »Wir Luftschiffer des Geistes«, sagt Nietzsche einmal stolz, um diese einzige Freiheit des Denkens zu rühmen, das im unbegrenzten, unbetretbaren Element sich seine neuen Wege findet. Und wirklich, die

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