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Der Kapuzenmörder

Der Kapuzenmörder

Titel: Der Kapuzenmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul C. Doherty
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Schwanenfedermatratze, dann zog sie ein zerknülltes Nachthemd über.
    »Isabeau.« Die Stimme war leise.
    Die Hure drehte sich um und starrte auf die Tür.
    »Isabeau, Isabeau, bitte, ich muß dich sehen!«
    Das Mädchen erkannte die Stimme und ging lächelnd und auf leisen Sohlen zur Tür. Sie schob die großen Eisenriegel zurück, öffnete die Tür und schaute die dunkle Kapuzengestalt an, die eine kleine Kerze mit der Hand abschirmte. »Was wollt Ihr denn?« Isabeau trat einen Schritt zurück. »Doch wohl nicht jetzt«, spöttelte sie, »zu dieser nachtschlafenden Stunde?«
    »Hier«, antwortete der unerwartete Gast. »Halte die Kerze!« Isabeau streckte die Hand aus, und für einen kurzen Augenblick sah sie die breite Messerklinge, die auf ihre zarte, weiche Kehle zuschoß. Sie fühlte einen furchtbaren, feurigen Schmerz und brach zusammen, und ihr Lebenssaft strömte an ihrem frischgewaschenen Körper herunter.

    Im Louvre-Palast auf der Ile de France, im Schatten der massigen Kathedrale von Notre-Dame, gab es ein Labyrinth von geheimen Korridoren und Gängen. Manche endeten einfach vor kahlen Wänden. Andere schlängelten sich dermaßen, daß ein Eindringling schnell den Mut verlor. Am Ende dieses Labyrinths, gleichsam im Mittelpunkt eines riesigen Spinnennetzes, lag die geheime Kammer Philipps IV., ein achteckiger Raum mit holzgetäfelten Wänden und nur zwei pfeilschmalen Schlitzfenstern hoch oben in der Wand. Der Boden war mit einem dicken, fast einen Fuß tiefen Wollteppich bedeckt. Philipp IV. liebte diesen Raum. Hier war nie ein Geräusch zu hören, und die Tür war so geschickt in die Holztäfelung eingebaut, daß es schwierig war, hereinzukommen, und für den Unaufmerksamen um so verwirrender, wieder hinauszugelangen. Stets war der Raum von Dutzenden von Bienenwachskerzen erleuchtet — den besten, die der Hofkämmerer besorgen konnte. In der Mitte stand ein viereckiger, mit grünem Friestuch bedeckter Eichenholztisch, dahinter ein hochlehniger Stuhl und zu beiden Seiten je eine große Truhe mit sechs Schlössern. In jeder dieser Truhen befand sich eine Kassette mit weiteren fünf Vorhängeschlössern. Darin bewahrte Philipp von Frankreich seine geheimen Briefe und Memoranden und die Berichte seiner Spione aus ganz Europa auf. Hier saß Philipp in der Mitte seines Netzes und spann sein Geflecht aus Lügen und Betrug, um die anderen Herrscher in Europa einzuwickeln, seien sie Fürst oder Papst.
    Philipp von Frankreich saß jetzt zurückgelehnt auf seinem großen Stuhl, starrte zu den goldenen und silbernen Sternen an der Decke hinauf und trommelte sacht mit den Fingern auf der Tischplatte. Ihm gegenüber saß sein Kanzler und Meister der Geheimnisse, der abtrünnige William von Nogaret. Der Bewahrer der königlichen Geheimnisse sprach leise, aber schnell von den europäischen Höfen und beobachtete dabei die ganze Zeit diesen gleichmütigsten aller Könige. Philipp mit seinem langen, blassen Gesicht, den hellblauen Augen und Haaren, die glänzten wie poliertes Gold, Philipp, dem die Menschen den Beinamen »der Schöne« gegeben hatten, sah vom Scheitel bis zur Sohle aus wie ein König. Er verströmte Majestät, wie eine Frau Parfümduft verströmt, aber Nogaret wußte, daß sein Herr ein verschlagener, schlauer Fuchs war, der stets undurchdringliche Miene und Haltung bewahrte und es den anderen überließ, seine wahren Absichten zu erraten.
    Nogaret hielt inne und schluckte heftig. Er schob seinen Stuhl ein kleines Stück zur Seite, denn er wußte, daß sich auf seiner Seite des Tisches eine furchtbare Oubliette befand, eine Falltür, die mit einem Hebel unter der königlichen Schreibtischplatte bedient wurde. Nogaret wußte, was geschehen würde, wenn diese Falltür sich plötzlich auftäte. Er selbst hatte schon gesehen, wie ein Opfer auf die stählernen Spitzen der Pfähle dort unten gefallen war.
    »Ihr zögert, William?« sagte der König leise.
    »Euer Gnaden, da wäre noch die Frage der Finanzen.« Philipps blaue Augen richteten sich träge auf Nogaret.
    »Wir haben unsere Steuern.«
    Nogarets dunkle Augen blinzelten, und er strich sich sanft über die Wange, eine Geste, die sein gelbliches schmales Gesicht noch ernster und verkniffener aussehen ließ.
    »Euer Gnaden, ein Krieg gegen Flandern wird die Staatskasse bald leeren!«
    »Wir könnten uns etwas borgen.«
    »Die Lombards wollen nichts verleihen!«
    »Es gibt Kaufleute, die das tun werden.«
    »Die sind durch die Steuern bis an ihre

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