Der Kapuzenmörder
Gnaden haben die Absicht, mich zu töten?«
Edward funkelte ihn an, und Corbett sah, daß der König dicht vor einem seiner gefürchteten Wutausbrüche stand. Die bekannten Zeichen waren alle da: Mit bleichem Gesicht nagte er an seiner Lippe, machte bedrohliche Gesten mit dem Schwert und fuhr mit dem Fuß nervös in der Binsenstreu herum. Wie ein Kind, dachte Corbett, wie ein verwöhntes Gör, das seinen Willen nicht bekommt. Er wandte sich wieder zur Tür, aber der Becher, den der König nach ihm warf und der Corbetts Kopf nur knapp verfehlte, war vor ihm dort. Corbett wollte eben den Riegel heben, als er die Spitze eines Dolches an seinem Hals spürte. De Warenne stand hinter ihm; ein Wort vom König, und der Earl würde ihn töten, das wußte Corbett. Er fühlte, wie der Griff seines eigenen Dolches in den Gürtel gedrückt wurde.
»Was nun, Mylord Earl?« fragte er leise und schaute über die Schulter zum König hinüber, der jetzt zusammengesunken auf seinem Thron saß. Alle Anzeichen der Wut waren verschwunden, und sein Blick war flehentlich.
»Kommt zurück, Hugh«, murmelte er. »Um Gottes willen, kommt zurück.«
Er warf sein Schwert in die Binsen. Der Sekretär drehte sich um und kam auf ihn zu; er war klug genug, zu wissen, wann er die Grenzen der königlichen Geduld erreicht hatte. »Steckt den Dolch ein, de Warenne! Mein Gott noch mal, wir sind doch Freunde und nicht drei betrunkene Landstreicher in einer Schenke! Corbett, setzt Euch!«
Der König starrte seinen Obersekretär an. Corbett sah, daß Edward Tränen in den Augen hatte, und stöhnte innerlich. Mit einem der königlichen Wutanfälle konnte er umgehen, aber wenn Edward weinerlich wurde, war er sowohl lächerlich als auch höchst gefährlich. Corbett dachte an das letzte Gespräch zwischen dem König und seiner ältesten Tochter, die heimlich einen Mann geheiratet hatte, der nach Meinung des Königs unter ihrem Stande war. Erst hatte Edward es mit Wut versucht, dann mit Tränen, und als auch das nicht half, hatte er seine Tochter verprügelt, ihren Schmuck ins Feuer geworfen und die unglückliche Prinzessin zusammen mit ihrem Gemahl in das zugigste Landschloß von ganz England verbannt. Die Wutanfälle des Königs konnten allerdings noch gefährlicher sein. Corbett hatte von schottischen Städten gehört, die so verwegen gewesen waren, seiner Belagerung zu widerstehen; sie waren schließlich im Sturm erobert worden, und er hatte weder Frauen noch Kinder geschont.
Der König schnippte mit den Fingern, worauf de Warenne seinen Dolch wegsteckte und für alle Wein eingoß. Dann hockte der alte Earl da und schlürfte geräuschvoll aus seinem Becher, wobei er hin und wieder Corbett anfunkelte, als hätte er dem Schreiber am liebsten den Kopf von den Schultern geschlagen.
»Alle verlassen mich«, begann der König kläglich. »Meine geliebte Eleanor ist tot. Burnell ist fort — Ihr erinnert Euch an den alten Schurken, Hugh? Bei den Zähnen der Hölle, ich wünschte, er wäre jetzt bei mir.«
Der König wischte sich mit dem Handrücken über die Augen, und Corbett lehnte sich zurück und bewunderte Edward, den Schauspieler, in einer seiner Lieblingsrollen — als alternder König, der um vergangene Glorie trauert. Natürlich erinnerte Corbett sich an Eleanor, Edwards schöne spanische Gemahlin. Als sie noch gelebt hatte, waren die Wutanfälle des Königs im Zaum gehalten worden. Und Kanzler Burnell, der Bischof von Bath und Wells — er war ein schlauer alter Fuchs gewesen und hatte Corbett wie seinen eigenen Sohn geliebt. »Alle sind fort«, jammerte der König. »Mein Sohn haßt mich, meine Töchter heiraten, wen sie wollen. Ich biete den Schotten Frieden und Wohlstand an, aber sie schleudern mir alles ins Gesicht, und Philipp von Frankreich tanzt um mich herum, als wäre ich ein gottverdammter Maibaum.« Der König streckte die Hand aus und umklammerte Corbetts Handgelenk. »Aber Euch habe ich noch, Hugh. Meinen rechten Arm. Mein Schwert. Meinen Schutz und Schild.«
Corbett biß sich heftig in die Lippe. Er durfte nicht lächeln oder de Warenne anschauen, der jetzt sein Gesicht tief über den Weinbecher gesenkt hatte.
»Ich flehe Euch an«, winselte der König, »Hugh, ich brauche Euch. Nur noch dieses eine Mal. Geht nach London, bringt diesen Unrat in Ordnung. Ihr werdet Eure Gemahlin sehen und Eure kleine Tochter.« Der Griff des Königs wurde härter. »Ihr habt sie Eleanor getauft. Das werde ich Euch nicht vergessen. Ihr geht doch,
Weitere Kostenlose Bücher