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Der Katalysator

Der Katalysator

Titel: Der Katalysator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles L. Harness
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großen Eßtisch.
    Und dort in der Garage hatte der alte Vier-Zylinder-Malibu gestanden. Weit hinten konnte er den Schuppen erkennen, in dem Billy ihm die Anfangsgründe der Chemie beigebracht hatte.
    Billy. Die Abkürzung für William Jennings Bryan Blandford. Eine eigenartige Abkürzung für eine so weitgefächerte Persönlichkeit. Es war, als wollte man Goethe „Jack“ oder da Vinci „Lennie“ nennen.
    Was für ein Mensch war Billy? Ein jugendlicher Michelangelo oder ein Francis Bacon oder Praxiteles oder Omar Khayyam – ehe sie etwas vollbracht hatten, dessentwegen man sich über Jahrhunderte hinweg an sie erinnern würde.
    In diesem Schuppen hinter dem Haus hatte Billy sein Labor gehabt. Hier hatte er Paul das Schießpulver erklärt.
    „In der Geschichte geht es oft darum, clever zu sein. Cortez und die Eroberung von Mexiko zum Beispiel. Als er seine Schiffe in Vera Cruz verbrannte, schnitt er sich damit von jedem Nachschub ab. Als er sein Schießpulver verbraucht hatte, war Schluß. Aber es war sein einziger Vorteil gegenüber den Azteken gewesen. Er brauchte eine Menge Schießpulver, oder er war ein toter Mann. Also machte er es selbst.“ Billy wies auf drei kleine Häufchen auf einem Blatt Papier. „Holzkohle, Kaliumnitrat und Schwefel. Genau abgewogen: fünfzehn, fünfundsiebzig und zehn Teile. Holzkohle war natürlich kein Problem. Die machten sie aus Holz. Aber das Nitrat?“
    Paul runzelte die Stirn. „Weiß ich nicht.“
    „Aus Höhlen. Fledermaus-Guano. Reich an Stickstoff. Es war damals wohlbekannt, daß sich in den feuchten Kellern und Höhlen in Europa KNO3-Ablagerungen bildeten – sie drangen in der Nähe von Sickergruben und Misthaufen aus dem Boden. Im Grunde die gleiche Herkunft. Das Königshaus hatte sogar die Salpeter-Schürfrechte in französischen Kellern. Einmal im Jahr machten die königlichen Kratzerkolonnen mit ihren Eimern die Runde. Das blieb so, bis man die Salpeter-Vorräte in Chile entdeckte. Aber genug davon. Woher bekam der Spanier seinen Schwefel?“
    Paul lauschte ehrfurchtsvoll. So viel wie Billy würde er niemals wissen. Nicht in einer Million Jahren. „Schwefel? Ich weiß nicht. Woher denn?“
    „Aus den Vulkanen natürlich. Aus den Fumarolen, den Gasquellen. Damals kam der Schwefel für die ganze Welt aus Vulkanspalten. Und in Mexiko gab es jede Menge davon. Sie fanden eine gute am Popocatepetl. Und dann brauchte man nur noch alles zusammenzumischen .“
    „Kann ich es mischen?“
    „Nur zu.“ Billy schob den Mörser und den Stößel herüber. „Den Salpeter zuerst. Wenn du alles auf einmal im trockenen Zustand zerreibst, kann es sich durch den Druck entzünden. So, jetzt die Holzkohle und den Schwefel untermengen. Nimm den Löffel. Vorsichtig. Und jetzt gehen wir hinaus und testen einen Löffel voll.“
    Paul schüttete behutsam ein kleines, schwarzes Häufchen auf die Pflastersteine vor dem Labor.
    „Zünde den Brenner an. Mach schon. Es beißt dich nicht.“
    Paul zündete den Brenner.
    „Okay. Steck es an.“
    Paul gehorchte. Der kleine Hügel begann fröhlich zu brennen. Aber das war alles.
    Er machte ein enttäuschtes Gesicht.
    Billy grinste. „Du hast gedacht, es explodiert oder es macht wenigstens puff, nicht wahr? Wenn es in einem Gewehrlauf oder in einer Bombe oder einem Feuerwerkskörper eingeschlossen gewesen wäre, hätte es einen hübschen Knall gegeben. Aber hier im Freien verbrennt es einfach.“
    Und alles das war zu Ende gewesen.
    Er erinnerte sich.
    Allmählich (und mit wachsendem Interesse) wurde er sich bewußt, daß er seit einigen Minuten mit seinem Electric auf dem Parkplatz seines Apartment-Komplexes an der Rhoda Street in Ashkettles im Staate Connecticut stand.
    Automatisch warf er einen Blick auf das Armaturenbrett. Die Instrumente zeigten, daß das Aufladekabel sein durstiges Mundstück bereits in die Ladebuchse vor seinem Wagen geschoben hatte – wie ein hungriges Hündchen. Die Buchse war auf seine Stromrechnung kodiert, und morgen früh würde er um zirka fünf Dollar ärmer sein. Irgendwann im Laufe der Nacht würde die Batterie des Wagens signalisieren, daß sie elektronisch gesättigt war, und das Kabel würde wieder in seiner Stoßstange verschwinden. Aber jetzt hörte er in Gedanken den Zähler surren. Er seufzte und stellte den Motor ab.
    Wieder in Ashkettles.
    Erst in der vergangenen Woche hatte Marggold ihn im Labor herumgeführt.
    „Wir Insassen des Forschungslaboratoriums Ashkettles“, erklärte der Anwalt,

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