Der Katalysator
daß er einem auf die Nasenspitze starrte.
Aber um Himmels willen, wo blieb Serane?
Wie in Beantwortung seiner stummen Frage sagte Kussman: „Serane hat vor ein paar Minuten angerufen. Die U-Bahn von Washington ist steckengeblieben, aber er ist mit dem Wagen unterwegs. Wie auch immer, es gibt ein paar Dinge, mit denen wir nicht auf ihn warten müssen.“
Er setzte sich zwischen Mrs. Pinkster und Oldham, Paul gegenüber.
Also würden sie nicht warten.
Paul sank in sich zusammen. Sie waren an Marggold gewöhnt. Sie hatten Vertrauen zu Marggold und zu ihm nicht. Marggold konnte seine Position bei diesen Barracudas behaupten. Er aber steuerte geradewegs auf ein Fiasko zu. Die Chemie und die Technologie des Trialin, die er gestern abend der Perle entnommen hatte, erschienen ihm jetzt fremd und exotisch. Er war verloren.
Mrs. Pinkster zog das Mikrophon von der Tischmitte zu sich heran und sprach kurz hinein. „Hier Pinkster. Konferenz -ter Januar 2006. Zeit: Neun Uhr fünf. Vorsitz: Dr. Kussman. Anwesend: Thomas Oldham und Paul Blandford. Dr. J. S. Serane wird erwartet. Protokoll nur an Dr. Kussman zur redaktionellen Überarbeitung. Nach Dr. Kussman Verteiler B.“
Kussman beugte sich vor und sprach in das Mikrophon. „Wir haben eine Erfindung gemacht. Wir haben in einem mit Korium beschichteten Reaktionsautoklaven die Synthese von Trialin herbeigeführt. Die Erfindung ist die Verwendung des Korium. Es verhindert die Korrosion und verringert daraus resultierende Verunreinigungen des Trialin-Produktes. Marggold hat für uns einen Patentantrag gestellt. Was passiert? Sie lassen uns in ein Überschneidungsverfahren mit der Deutschen AG schlittern.“
„Blandford“, sagte Paul zum Mikrophon. „Es ließ sich nicht verhindern. Deutsche hat die gleiche Erfindung gemacht und ebenfalls das Patent beantragt. Das Patentamt hat zwischen unserem und ihrem Antrag eine Überschneidung festgestellt. Alles ganz rechtmäßig. Nur einer kann das Patent bekommen, nämlich derjenige, der beweist, daß er die Erfindung als erster gemacht hat. Und unsere Patentabteilung wird ihr Bestes tun um zu beweisen, daß Serane der erste war. Aber ich muß Ihnen sagen, daß wir keinen Grund zu der Annahme haben, daß Serane gewinnt.“ Er hielt inne. „Zur Sicherheit empfiehlt die Patentabteilung, das Labor möge ein Ausleseprogramm durchführen, um andere korrosionsresistente Metalle ausfindig zu machen. Sie könnten es mit Eisenlegierungen versuchen, etwa mit Wolfram, Chrom oder Vanadium. Dann natürlich mit den Edelmetallen: Platin, Palladium, Iridium und so weiter. Und auch mit den Münzmetallen: Kupfer, Silber, Gold. Sie sollten notfalls auf etwas zurückgreifen können.“
Kussman lehnte sich in seinem Sessel zurück. Er sprach jetzt langsam, als wolle er sichergehen, daß der Recorder jedes Wort aufzeichnete. „Hier scheint ein Mißverständnis bezüglich der Funktion der Patentabteilung vorzuliegen. Die Patentabteilung existiert zum Wohle dieses Labors, nicht umgekehrt. Die Patentabteilung gibt dem Labor keine Forschungsempfehlungen. Es ist umgekehrt. Wir empfehlen Ihnen, um welche Patente Sie sich bemühen sollen.“ Seine Augen fixierten unverwandt Pauls Stirn. „Und, Blandford, verstehen Sie bitte, daß dies nicht gegen Sie persönlich gerichtet ist, aber ich finde, daß die Patentabteilung uns überaus hochmütig behandelt, indem sie zu dieser Besprechung keinen kompetenten Vertreter entsendet.“
Paul wußte, daß er sichtbar erbleichte. All dies ging unauslöschlich in die Archive der Firma ein. In seinem Magen begann es zu brennen. Aber was konnte er sagen?
Ein Geräusch lenkte ihn ab.
Ein Pfeifen erklang den Gang herauf, und es bewegte sich, als sei es nicht menschlichen Ursprungs. Es war ein flottes, fröhliches Pfeifen. Paul kannte es gut. Es war der Tanz der Priesterin aus Donnators Song, Billys Lieblingsoper. Welcher strahlende Zauber hatte das Lied in diese grimmigen Mauern verpflanzt? Welcher Elfensinn verkündete hier das große Rätsel der Musik?
Die Melodie schwebte bis an die Tür des Konferenzraumes und brach ab.
Und dann öffnete sich die Tür, und ein Mann trat ein.
Dieser Mann, Gott sei gedankt, mußte Johnstone S. Serane sein. Paul erhob sich und sah ihn an. Zuerst war er nur verblüfft, und er verstand nicht ganz, was er da sah.
Dann war er erschüttert. War dies Wirklichkeit oder war es das Werk eines verschrobenen himmlischen Humors?
Denn Serane war das leibhaftige Ebenbild seines Bruders
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