Der Keil des Himmels
hielten sich eng um ihn herum, die Armbrüste in Anschlag.
„Es gibt also Magie. Es gibt also Menschen, die sie praktizieren können?“, sagte Czand, blickte noch einmal auf die grausig zugerichteten Überreste Hubbarbs herab. „Bis zum Schluss ist es mir schwer gefallen, das zu glauben.“
„Es gibt sie. Ich habe so etwas schon vorher gesehen. Nur nicht bei Menschen.“
„Und? War er der Einzige? War es das?“
„Wenn es mehr Magier geben sollte, hätten die nicht während der Schlacht eingegriffen? Hätten sie nicht alle gemeinsam versucht, mich umzubringen? Nachdem sie unseren Senphoren getötet haben?“
„Ist es das damit gewesen? Soll es wirklich vorbei sein?“
„Vielleicht war das nur die Vorbereitung. Und die wirkliche Gefahr lauert auf uns, wenn es an den Rest von Mittelnaugarien geht. Vielleicht sind weitere Magier nicht in unserem Heer sondern anderswo schon bei der Arbeit und schmieden ein Bündnis der mittelnaugarischen Länder gegen uns. Du solltest dir darüber Gedanken machen. Du solltest darauf vorbereitet sein.“
„Wieso ich?“ Czand sah ihn mit einem Blick an, in dem blanke Verwunderung stand.
„Weil es deine Aufgabe sein wird, damit fertig zu werden.“ Er legte ihr im Vorbeigehen die Hand auf die Schulter, ließ sie zurück. Sie würden später darüber zu sprechen haben. Er musste einen Boten ausschicken. Der die Nachricht direkt überbrachte oder um einen neuen Senphoren bat, über den der offizielle Austausch abzuwickeln war. Er wollte schließlich nicht als Fahnenflüchtiger verfolgt werden. Ein Fahnenflüchtiger General – das wäre etwas Neues.
Er stieg wieder die von Magieattacken zernarbte Anhöhe hinauf, um das Schlachtfeld überblicken zu können. Breagnar, Davernian und Ni-Konnacht klebten mit gespannten Waffen an ihm.
Sollte das tatsächlich alles gewesen sein? Profane menschliche Gegner, die zahlreicher und abgefeimter gewesen waren, als man vorher vermutet hatte? Und ein einzelner Magier des Einen Weges? Waren all seine Spekulationen, Erwägungen und Hypothesen substanzlos gewesen?
Die Wahrheit ist oft banaler und gefährlicher.
Suevaren – eine weit größere Streimacht als man vermutet hatte, die mit Stämmen der Prokrythen und Saphatraken gemeinsame Sache machten. Ein Magier und der verrückte Plan, die Sechzehnte unter Kudai zum Überlaufen zu bringen. Damit ein Heer aus Valgarenstämmen und Einheiten von gut ausgebildeten und disziplinierten Barbaren über den Riaudan-Pass Idirium in die ungeschützte Flanke fallen und den Angriffen einer Nichtmenschenarmee im Osten zur Hilfe kommen konnten. Wollte man deshalb keine weiteren Truppen im Osten des Riaudan-Passes haben? Oder aus einem ganz anderen Grund? War vielleicht das Kernland Niedernaugariens, an dessen Rand diese Truppen dann stationiert worden wären, als ein Hauptkampfschauplatz vorgesehen? Würden dort die Ordensloge des Einen Weges und Kyprophraige zuschlagen und diese wichtigen Provinzen unter ihre Herrschaft bringen? Und die Sechzehnte sollte von diesem Kampfschauplatz abgeschnitten sein. Dadurch, dass man sie hier bis zum Wintereinbruch in Kampfhandlungen band und sie nicht mehr über den Riaudan-Pass zurück ins Kernland gelangen konnten.
Tausend Gründe, warum alles ganz anders sein konnte, als er befürchtet hatte.
Tausend Gründe, warum es hier für sie erst einmal überstanden sein sollte – ein harter Kampf zwar aber überstanden.
Keiner darunter, den er glauben konnte.
Jemand, so bemerkte er aus den Augenwinkeln, kam die Anhöhe herauf. Er drehte sich um, erkannte Hubbarbs Skopaina, der auf ihn zutrat und ihm ein an den Rändern verbranntes Bündel Papiere reichte.
„Das habe ich noch bei Haburanian … bei dem Toten gefunden. Das sind die Reste einer ins unreinen geschriebenen Transkription. Kurz bevor Sie ihn zu sich gerufen haben, hat er noch eine Geistesbotschaft empfangen.“
Auric nahm die Blätter entgegen, und Teile des versengten und verbrannten Papiers bröckelten ihm unter den Händen weg. Rasch überflog er die Zeilen, die noch entzifferbar waren. Es war eine Nachricht von Ikun. Schon die ersten Worte, auf die Aurics Blick fiel, ließen in ihm die Alarmhörner schallen. Aufstand in den Ostprovinzen. Ein organisiertes Aufständischenheer. Aufstand in Kvay-Nan. Neuer Blauer Kreis. Unabhängiges Nord-Kvay-Nan. Erste Gefechte. Mit der Armee. Kelams Dritte stand im Gefecht. An beiden Fronten.
Anscheinend war der Aufstand der Ostprovinzen gut organisiert gewesen.
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