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Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Titel: Der Klang des Pianos: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Büchle
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werden.“
    Richard legte wahllos eine Notenrolle in das Klavier ein und startete die Mechanik. Das Instrument begann zu spielen, und fröhliche Klaviermusik füllte den Raum mit Leben. Er verschränkte die Hände hinter seinem Rücken und betrachtete die rote Rolle, bis eine schnelle Bewegung neben ihm ihn ablenkte.
    Norah tanzte, einen imaginären Partner im Arm, durch den Raum, lachte dann offenbar über sich selbst und gesellte sich wieder zu ihm. „Musik ist etwas Wunderbares! Sie macht einen leicht wie einen Schmetterling. Finden Sie nicht auch?“
    Der junge Mann nickte lediglich. Für ihn bedeutete die Musik schon lange nur noch ein Geschäft, das ihm sein regelmäßiges Einkommen sicherte. Und eines Tages würde sie ihm das Tor zu einem einfacheren, besseren Leben öffnen, verbunden mit einem angenehmen Lebensstandard und einem gewissen Ansehen. Aus diesem Grund verbot er sich auch spontane Handlungen, die vielleicht auf manche Leute peinlich wirken konnten. Ganz im Gegensatz zu Norah offensichtlich, die mit funkelnden Augen und einem glücklichen Lächeln auf dem Gesicht durch den Raum tanzte, ohne sich Gedanken darüber zu machen, ob er sie deswegen vielleicht lächerlich finden würde.
    Während die Musik fröhlich weiterspielte, wanderten Richards Gedanken zurück in seine Kindheit. Nach dem frühen Tod seines Vaters war es mit der Familie Martin schnell bergab gegangen. Seine Mutter hatte zwar versucht, sich selbst, den damals zehnjährigen Richard, die beiden jüngeren Töchter und ihre Schwiegermutter durch Näharbeiten über Wasser zu halten, doch bereits nach wenigen Monaten ohne das geregelte Einkommen des Hausvorstands hatten sie zum ersten Mal erleben müssen, wie kalt ein Winter auf der Baar ohne ausreichendes Brennholz werden konnte.
    Anschließend war der Hunger dazugekommen. Über Jahre hinweg hatte Richard sich niemals satt essen können, war morgens mit knurrendem Magen aufgestanden und abends nicht minder hungrig wieder zu Bett gegangen. In der Schule wurde er wegen seiner abgetragenen, oftmals von älteren Brüdern seiner Klassenkameraden abgegebenen Kleidung aufgezogen und zweimal des Diebstahls von Vesperbroten bezichtigt, obwohl er sich trotz seines immerfort knurrenden Magens beim Anblick der essenden Kameraden niemals dazu hatte hinreißen lassen, sich fremdes Eigentum anzueignen.
    Die traurigen Verhältnisse, die er vier lange Jahre lang ertragen musste, wandelten sich zum Besseren, als seine Mutter einen kürzlich verwitweten Industriellen namens Friedhelm Birk heiratete. Daraufhin änderte sich ihr Leben von einem Tag auf den anderen. Plötzlich war er der Junge mit der modernsten Kleidung, genoss den Luxus perfekt passender Schuhe, geheizter Räume und einer ausgezeichneten Küche. Und obwohl nun genug Geld vorhanden war, ging Richard sehr sorgsam mit seinen Sachen um, hegte und pflegte sie, als befürchte er, er müsse jedes einzelne Stück sein Leben lang nutzen. Zudem entwickelte er in der Schule einen ausgeprägten Ehrgeiz. Er gehörte bald schon zu den besten Schülern und konnte dank des nun vorhandenen Schulgeldes ohne Schwierigkeiten auf das Gymnasium wechseln.
    Ein Jahr vor seinem Abschluss verstarb auch sein Stiefvater. Bis zu Richards Abitur änderte sich an der Lebensweise der Familie wenig, doch dann begannen sich erste finanzielle Engpässe abzuzeichnen, und anstatt nach seinem Militärpflichtjahr ein Studium zu beginnen, ging Richard bei einem ortsansässigen Instrumentenhersteller in die Lehre.
    Doch sein Entschluss stand fest: Nie wieder würde er Hunger leiden oder im Winter vor Kälte zitternd nicht schlafen können. Er würde hart für seinen Erfolg arbeiten und sein Ziel erreichen, ein mindestens ebenso angenehmes Leben wie damals im Haus des Industriellen Birk zu führen.
    Die Automatik schaltete sich ab, die Musik endete und sanft verklangen die letzten Töne.
    Norah musterte Richard, wobei sie ein Auge zusammenkniff. Ob sie auch die Fähigkeit besaß, ihm seine trüben Gedanken am Gesicht abzulesen? Jedenfalls schien sie selbst niemals nachdenklich oder gar traurig zu sein, denn schon wieder zeigte sie dieses schelmische Grinsen und wandte sich der Tür zu.
    „Jetzt waren wir aber lange hier im Werksgebäude unterwegs, nicht wahr, Herr Martin? Am besten gehen wir auch einmal nach draußen, damit ich mir die Anlage und die Umgebung genauer ansehen kann.“
    Richard, der damit beschäftigt war, die Mechanik zu stoppen, die Rolle wieder ordnungsgemäß

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