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Der kleine Mann

Der kleine Mann

Titel: Der kleine Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kästner
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daß er selber es wußte. Doch er sprach mit niemandem darüber. Und der schöne Waldemar wußte es natürlich auch. Aber Puppen, auch Schaufensterpuppen, können schweigen wie das Grab.
    Jedenfalls, der Professor war mit Mäxchens Fortschritten sehr zufrieden. Manchmal nannte er ihn sogar ,mein Klettermäxchen’. Das war ein großes Lob, und der Kleine Mann bekam vor Stolz Glitzeraugen.
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    Trotz solcher Fortschritte hätte die Zauberlehrlingszeit mindestens noch ein Vierteljahr gedauert, vielleicht sogar vier Monate, wenn nicht eines Abends die zwei Fräcke verwechselt worden wären. Welche zwei Fräcke? Der Frack des Professors und der Frack des Kunstreiters Galoppinski! Das war eine tolle Geschichte!
    Der Herr Direktor Brausewetter glaubt noch heute, das Ganze sei ein Zufall gewesen. Außer ihm glaubte das im Zirkus Stilke aber niemand. Kein Feuerschlucker, kein falscher Chinese, kein Eisverkäufer und keiner vom Drahtseilakt. Und die ,3 Schwestern Marzipan’ glaubten es schon gar nicht. Rosa Marzipan, das hübscheste der drei Fräuleins, behauptete, es habe sich um einen niederträchtigen Racheakt gehandelt. Ich vermute, sie hatte recht. Wahrscheinlich war Eifersucht im Spiele. Denn Fräulein Rosa Marzipan verdrehte allen Männern den Kopf. Obwohl sie das gar nicht wollte.
    Schon wenn die Schwestern knicksend in die Manege hüpften, in ihren kurzen Gazeröckchen und den hautfarbenen Trikots, trampelten und klatschten die Zuschauer begeistert. Einen appetitlicheren Anblick konnte man sich aber auch nicht vorstellen. Sie sahen zum Anbeißen aus. Kein Wunder, daß sie Marzipan hießen!

    Und wenn sie sich dann auf das straffgespannte Trampolin geschwungen hatten, hoch, immer höher und noch viel höher sprangen, Kobolz schlugen, waagerecht in die Luft schwebten oder Saltos drehten, dann nahm der Jubel kein Ende. Man konnte denken, die drei jungen Damen seien nicht schwerer als drei Straußenfedern. Wo sie doch, in Wirklichkeit, zusammen drei Zentner wogen, und das sind immerhin dreihundert Pfund!
    Rosa Marzipan, die schönste, wog einhundertundfünf (105) Pfund und vierundachtzig (84) Grartim. Das ist nicht sonderlich viel. Ich selber wiege’ zum Beispiel, einhundertundzweiundvierzig (142) Pfund, und das sind nur siebenunddreißig (37) Pfund mehr. Trotzdem käme kein Mensch auf den Gedanken, mich mit einer schwebenden Straußenfeder zu vergleichen oder vor mir niederzuknien und zu behaupten, er finde mich zum Anbeißen. Mir passiert so etwas nie. Im Leben geht es nicht immer gerecht zu.
    Für die unter euch, die nicht wissen, was ein Trampolin ist, möchte ich anmerken, daß es sich um so etwas Ähnliches wie eine Matratze handelt. Auch ihr seid sicher schon oft im Bett herumgesprungen und habt euch gefreut, wie schön die Matratze federt, wie leicht man plötzlich wird und was für Sprünge man machen kann. Ein Trampolin ist nur länger und breiter als eine Matratze und so straff gespannt wie das Fell einer Trommel oder Pauke.
    Wer es gelernt hat, darauf zu wippen und sich hochzuschnellen, der fliegt wie ein Pfeil in die Luft, bleibt fünf oder gar sechs Sekunden oben und kann sich dort kugeln und überschlagen, als wöge er nicht viel mehr als ein Luftballon. Das kann er. Aber nur, wenn er’s kann.
    Und aufs Trampolin geschickt zurückfallen, das muß er natürlich auch können. Denn wenn er nicht aufs Trampolin fiele, sondern daneben, dann bräche er sich sämtliche Knochen. Nun, die drei Schwestern Marzipan, die konnten es.’ Sie hatten es als Kinder von ihren Eltern gelernt, die auch schon Luftspringer gewesen waren.

    Doch nun zurück zu den verwechselten Fräcken. Man konnte es ihm zwar nicht nachweisen, aber wahrscheinlich hatte es Fernando getan, einer der Musikclowns. Er blies im Zirkus eine Mundharmonika, die so groß war wie eine Zaunlatte, und eine andre, die so klein war, daß er sie jeden Abend verschluckte, und dann spielte sie in seinem Magen weiter. Die Zuschauer fanden das sehr lustig. Er selber war freilich seit langem melancholisch und gallenleidend. Weil er das Fräulein Rosa Marzipan liebte und sie nichts von ihm wissen wollte. Denn sie liebte den Professor Jokus von Pokus.
    Das ärgerte den Clown bis aufs Blut. Und deshalb vertauschte er eines Tages, eine Viertelstunde vor der Vorstellung, in der Garderobe die zwei Fräcke! Den Frack des Kunstreiters hängte er, mit dessen Zylinder, an den Haken des Professors. Und den Zauberfrack samt dem Zauberzylinder hängte er an den

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