Der kleine Mann
Garderobenhaken des Kunstreiters. Dann schlich er auf den Zehenspitzen davon.
Als nun Meister Galoppinski auf Nero, seinem pechschwarzen Hengst, in die Manege sprengte, ihn scharf durchparierte und zum Gruße den Zylinder schwenkte, hüpfte Alba, das schlohweiße Kaninchen, aus dem Hutfutter, sprang in den Sand und hoppelte erschrocken im Kreise herum! Davon wurde das Pferd scheu und bäumte sich auf. Herr Galoppinski klopfte ihm beruhigend den Hals. Bei dieser Gelegenheit flog die Taube Minna aus dem linken Frackärmel, flatterte nach allen Seiten und suchte den kleinen Tisch mit ihrem Käfig und der offenen Käfigtür zum Hineinschlüpfen. Doch der Tisch und der Käfig standen ja noch gar nicht in der Manege!
Der Hengst begann zu bocken und nach hinten und vorn auszuschlagen. Die Kapelle spielte den Walzer aus der Operette ,Die Fledermaus’ und hoffte, das Pferd werde nun seine berühmten Tanzschritte machen. Es tänzelte aber ganz und gar nicht, sondern jagte, als sei es von einem Bienenschwarm überfallen worden, durch die Arena. Der Kunstreiter konnte es kaum noch zügeln.
Das Publikum in den ersten Sitzreihen riß es von den Plätzen hoch. Viele Leute schrien vor Angst. Eine Dame fiel in Ohnmacht. Die Taube Emma flatterte aus Galoppinskis rechtem Ärmel. Er packte die Zügel noch kürzer. Da sprang der Hengst mit allen vieren gleichzeitig in die Luft und wieherte wild. Der Reiter griff zur Peitsche und wollte das ungebärdige Tier schlagen. Doch es war gar nicht die Peitsche, sondern der Zauberstab, der sich sofort in einen riesigen Blumenstrauß verwandelte! Das Pferd riß ihm ärgerlich die Blumen aus der Hand und wollte sie fressen. Aber sie waren aus buntem Papier, und es spuckte sie angewidert aus.
Jetzt wollte sich das Publikum totlachen. Das Kaninchen machte Männchen. Die Tauben flatterten ratlos um Galoppinskis Zylinder. Die Kapelle intonierte den Hohenfriedberger Marsch. Der Kunstreiter gab dem Hengst die Sporen, damit er sich endlich zusammennehme und im Takte der Musik marschiere. Aber der Rappe war es nicht gewöhnt, daß man ihm vor allen Leuten die Sporen in die Flanken stieß. Er keilte aus und hörte nicht auf, sich zu schütteln und um sich zu schlagen, bis Galoppinski, einer der besten Schulreiter der Welt, im hohen Bogen aus dem Sattel flog und in den Sand fiel!
Dann jagte der Hengst mit donnernden Hufen aus der Manege hinaus und zurück in seinen Stall. Der Reiter erhob sich und humpelte ächzend hinterdrein. Das Publikum war außer Rand und Band, und das waren immerhin zweitausend Menschen. Das Zirkuszelt zitterte vor lauter Gelächter. Einen Zauberkünstler zu Pferde, der schließlich abgeworfen wurde, hatte man noch nicht gesehen!
Herr Direktor Brausewetter stand in der Zeltgasse und rief außer sich: „Das ist eine Katastrophe! Das ist eine Katastrophe!“
Galoppinski, der ihn im Vorbeihinken hörte, sagte zähneknirschend: „Eine Katastrophe nennen Sie das? Ich nenne so etwas eine Schweinerei! Eine Riesenschweinerei! Wer hat mir das eingebrockt? Her mit ihm! Ich verfüttere den Kerl an die Löwen! Aua!“ Er hielt sich das Kreuz und schnitt vor Schmerzen Grimassen.
Der Professor stürzte in die Manege hinaus, packte das Kaninchen an den Löffeln, lockte die beiden Tauben, bis sie sich auf seine ausgestreckte Hand gesetzt hatten, rannte mit den dreien in die Zeltgasse zurück und war außer sich und außer Atem. „Ich bin bis auf die Knochen blamiert!“ schimpfte er. „Wenn der Präsident des Magischen Zirkels davon erfährt, komme ich vors Ehrengericht! Weil ich das Ansehen der Zauberkünstler geschädigt habe!“
„Aber doch nicht durch Ihre eigene Schuld!“ besänftigte ihn Direktor Brausewetter.
„Ich verlange Schmerzensgeld!“ brüllte Galoppinski. „Erst haben mich zweitausend Leute ausgelacht, und dann bin ich auch noch vom Pferd gefallen!“
„In zehn Minuten müßte ich auftreten“, rief der Professor. „Ich denke nicht im Traum daran! Nachdem der Herr Kunstreiter meinen Zauberfrack lächerlich gemacht hat? Niemals! Und einen der teuren Blumensträuße hat sein Gaul gefressen!“
„Ausgespuckt hat er das blöde Zeug!“ kreischte Galoppinski, machte vor Zorn einen Luftsprung und sagte wieder: „Aua!“
„Ruhe, meine Herren!“ bettelte Direktor Brausewetter. „Das Programm muß weitergehen! Was soll jetzt werden?“
„Ich trete unter keinen Umständen auf, und wenn Sie vor mir auf die Knie fallen“, erklärte der Professor. „Ich nehme
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