Der kleine Wassermann
schnell nicht den Hals und schon gar nicht, wenn er ins Wasser fällt.
Wohin sonst aber sollte der kleine Wassermann fallen, als er vom Mühlenrad herunterplumpste? Er plumpste vom Wasser ins Wasser. Und das war sein Glück!
Erst war er natürlich zu Tode erschrocken. Er wusste nicht, wie ihm geschehen war. Schleunigst schwamm er zur Sicherheit erst einmal wieder ins Freie hinaus, an die Sonne. Nur fort aus dem finsteren Bretterverschlag!, war sein erster Gedanke.
Sein zweiter Gedanke war der, dass die Fahrt übers Mühlenrad eigentlich gar nicht so schlimm gewesen war. Im Gegenteil! Hinterher konnte man regelrecht Spaß daran finden.
Wie wäre es, dachte der kleine Wassermann, wenn ich das gleich noch einmal versuchte ... ?
Und das war sein dritter Gedanke.
Fünfundzwanzig!
Da hatte der kleine Wassermann also durch Zufall ein herrliches neues Spiel entdeckt!
Er ließ sich gleich noch ein paarmal hintereinander die Wasserrinne hinunterflutschen und über das Mühlenrad rumpeln. Kaum war er unten angekommen, so stieg er eins, zwei auch schon wieder ans Ufer, lief um die Mühle herum, rannte quer durch die Wiesen zum Mühlenweiher zurück, sprang kopfüber ins Wasser und rutschte von Neuem hinunter.
Er rutschte noch viele Male. An diesem Tag und am nächsten Tag und an allen folgenden Tagen. Er rutschte mal so und mal so: auf dem Bauch, auf dem Rücken, lang ausgestreckt oder zusammengerollt wie ein Igel.
Bald rutschte er mit den Händen in den Hosentaschen, bald verschränkte er seine Arme hinter dem Kopf. Manchmal fuhr er im Schneidersitz, manchmal auf allen vieren. Dann wieder, wenn ihn der Rappel packte, schlug er auch ein paar Purzelbäume während der Fahrt.
Sein Glanzstück war es, die Füße bis an die Nasenspitze heraufzuziehen und mit dem Hintern voran durch die Rinne zu brausen. Nur schade, dass er dabei keine Zuschauer hatte!
Und schade auch, jammerschade sogar, dass der Müller das Schleusentor immer nur bis zur Hälfte hinauf kurbelte und nicht weiter!
Denn, dachte der kleine Wassermann, wenn er es weiter hinaufkurbeln würde, dann könnte doch viel mehr Wasser die Rinne hinunterlaufen. Und liefe mehr Wasser die Rinne hinunter, dann ließe sich's gleich noch einmal so schnell rutschen! Mir geht es schon viel, viel zu langsam dahin!
Und er hoffte von Tag zu Tag, dass der Müller das Schleusentor einmal ganz weit hinaufkurbeln würde. Aber der Müller dachte gar nicht daran, das zu tun. Und der kleine Wassermann sagte sich schließlich: Na schön, wenn's der Müller eben nicht selber tut, dann tu ich's!
Er wartete bis zum Sonntag.
Am Sonntag, das wusste der kleine Wassermann, gingen die Menschenleute, die in der Mühle wohnten, zur Kirche. Wenn sie erst allesamt aus dem Haus waren, konnte er ungestört tun, was er wollte.
Und richtig, am Sonntagmorgen, als im Dorf die Glocken zu läuten begannen, ging auch gleich die Mühlentür auf und heraus kam die Müllersfrau mit dem Gesangbuch unter dem Arm. Hinter der Müllersfrau kamen die Mühlenknechte, hinter den Mühlenknechten kamen die beiden Mägde und hinter den beiden Mägden kam dann als Allerletzter der Müller selber. Er hatte die gute Jacke mit den silbernen Knöpfen an und auf dem Kopf trug er heute statt seiner mehligen Müllermütze einen hohen schwarzen Hut. Der kleine Wassermann hätte ihn beinah nicht erkannt.
Der kleine Wassermann hockte im Röhricht am unteren Ende des Mühlenweihers, gleich neben dem Schleusentor. Er ließ den Müller und seine Leute nicht aus den Augen.
Er sah, wie der Müller einen großen Schlüssel aus der Jackentasche zog und die Mühlentür abschloss. Dann kam die ganze Gesellschaft in einer Reihe das Wiesenweglein heraufgepilgert. Voran ging die Müllersfrau, dahinter gingen die Mühlenknechte, dahinter die beiden Mägde. Am Ende des Zuges schritt in seiner schönen blauen Jacke mit den silbernen Knöpfen der Müller. Alle machten zufriedene Sonntagsgesichter und der kleine Wassermann in seinem Schilfversteck machte auch ein zufriedenes Gesicht.
Ahnungslos zogen die Müllersleute an ihm vorüber. Er sah ihre Beine dicht vor seiner Nase. Er hätte sie bequem in die Waden zwicken können, wenn er gewollt hätte. Aber er durfte sich nicht verraten.
Das Schleusentor war heruntergelassen, die Wasserrinne war leer und das Mühlrad stand still. Die Müllersleute polterten auf der schmalen Bohlenbrücke über die Schleuse hinüber. Der Müller ruckte noch rasch an der Eisenkurbel, damit das Tor nur ja
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