Der kleine Wassermann
recht zubleiben sollte. Dann ging er mit großen Schritten den anderen nach.
Der kleine Wassermann wartete, bis die Müllersleute zwischen den Feldern verschwunden waren. Er wartete aber auch dann noch ein Weilchen. Und erst als er wusste,
dass sie nun bald in der Kirche sein mussten, stieg er aus seinem Versteck und machte sich an die Arbeit. Es war eine Schinderei mit dem Schleusentor!
Der kleine Wassermann zerrte eine halbe Ewigkeit an der Eisenkurbel herum, er zerrte aus Leibeskräften. Aber sie rührte sich nicht.
Der kleine Wassermann zog sich die Jacke aus. Er spuckte in die Hände. Er holte tief Luft.
Er musste noch oft in die Hände spucken und noch viele Male tief Luft holen.
Endlich gelang es!
Die Eisenkurbel gab nach, sie quietschte und kreischte. Langsam hob sich das Schleusentor. Das erste Wasser gluckerte durch den Spalt in die Rinne.
Na also!, dachte der kleine Wassermann und verschnaufte ein wenig. Dann aber packte er gleich wieder zu.
Und jetzt ging die Arbeit bedeutend leichter!
Der kleine Wassermann drehte und drehte. Rechte Hand, linke Hand - rechte Hand, linke Hand! Die Eisenkurbel kam nicht mehr zur Ruhe. Immer lauter gluckerte das Wasser unter dem Schleusentor hindurch. Bald war aus dem Gluckern ein Rauschen geworden, bald aus dem Rauschen ein Brausen. Nicht lang, so begann in der Ferne das Mühlenrad zu klappern.
Klipp - klapp, fing es an. Klipp - klapp. Und das klang recht verschlafen.
Nach einer Weile machte es aber schon so: Klipp - klapp, klipp - klapp, klipp - klapp.
Und wieder nach einer Weile: Klappklappklapp - klapp-klappklapp - klappklappklapp.
Zuletzt war dann nur noch ein einziges Rattern zu hören: Rattatattatattatattatattatattatattata ...
So schnell kann man gar nicht sprechen! Den guten Müller hätte wahrscheinlich auf der Stelle der Schlag getroffen, wenn er das hätte hören müssen!
Aber der Müller war ja, gottlob, in der Kirche, er konnte das nicht hören. Und der kleine Wassermann kurbelte fröhlich weiter.
Er kurbelte das Schleusentor ganz hinauf, so hoch, bis es nicht mehr weiter ging. Das Wasser sauste und brauste zu seinen Füßen, es füllte die Holzrinne bis an den obersten Rand. So war's richtig! Jetzt musste es mindestens doppelt so schnell gehen, wenn er hineinsprang!
Der kleine Wassermann stürzte sich kopfüber von der Schleusenbrücke hinunter. Das Wasser ergriff ihn. Er schoss wie ein Pfeil durch die Rinne - aufs Mühlenrad -und schwupp, in die Tiefe! Kaum dass er bis drei zählen konnte, da war er schon unten.
Ach ja, das gefiel ihm! So hatte er es sich immer gewünscht! Drum nicht lange gefackelt, hinaus aus dem Bretterverschlag, um die Mühle herum, durch die Wiesen zurück und sofort wieder - platsch! - von der Brücke ins Wasser!
So ging das ein Dutzend Mal und noch öfter. Bis plötzlich, wie aus dem Boden gewachsen, der Wassermannvater vor ihm stand.
„Bist du das gewesen?", fragte er zornig und wies auf das hochgekurbelte Schleusentor. „Hat man Worte?! Da lässt dieser Lausejunge den Teich ab! Na warte, mein Bürsch-chen, das will ich dir austreiben! Her da!" Der Wassermannvater erwischte den Jungen beim Kragen. Mit der linken Hand hielt er ihn fest, mit der rechten begann er das Schleusentor wieder hinunterzukurbeln.
„Was denkst du dir eigentlich?", schimpfte er weiter. „Wir sollen wohl alle vertrocknen, wie? Der Weiher ist schon zur Hälfte leer! Und warum? Weil der kleine Herr Wassermann Unsinn macht und die Schleuse sperrangelweit aufleiert! - Bürschlein, das kostet dich fünfundzwanzig!"
Der Wassermannvater hielt Wort. Als die Schleuse geschlossen war, legte er den zappelnden kleinen Wassermann über das Knie und zahlte ihm die versprochenen fünfundzwanzig gewissenhaft aus.
Habuh! Habuuuh!
Der kleine Wassermann sammelte alles, was die Menschen achtlos in den Mühlenweiher warfen: Blechbüchsen, Glühbirnen, durchgelaufene Holzpantoffeln und andere wertvolle Dinge mehr. Er versteckte sie unter den Steinen hinter dem Wassermannhaus. Mit der Zeit kamen in seiner Schatzkammer allerhand Reichtümer zusammen, und eines Tages zeigte sie der kleine Wassermann voller Stolz seinem Freund, dem Karpfen Cyprinus.
Cyprinus besah sich die einzelnen Stücke von hinten und vorn. Dann verzog er spöttisch das Maul und erklärte:
80
„Alles, was recht ist, mein Lieber - aber was tust du zum Beispiel mit einem Henkeltopf ohne Boden? Und was mit dem alten, verrosteten Schürhaken da? Einen löchrigen linken Schuh hast du auch,
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