Der kleine Wassermann
wettern. Ärgerlich band er den Schuh los und schleuderte ihn in den Weiher zurück. Er zog eine Blechschachtel aus dem Stiefelschaft, holte daraus einen fetten Regenwurm hervor, spießte ihn auf den Haken und warf seine Angel wieder aus.
„Viel Glück!", blubberte Cyprinus. „Ich bin ja gespannt, was du diesmal herauffischen wirst!"
Zur Abwechslung war es kein Schuh, den der Menschenmann eine Weile später an Land zog, sondern ein alter, verrosteter Schürhaken. Wie da der Menschenmann schimpfte! Dem Karpfen Cyprinus gefiel das. Er wackelte schadenfroh mit den Flossen und dachte sich: Dir wird die Freude am Angeln vergehen, mein Lieber! Mal sehn, was das nächste Mal dranhängt...
Noch siebenmal warf der Menschenmann seine Angel aus und jedes Mal kam ihm die Sache verhexter vor. Nach dem Schürhaken fing er eine leere Bierflasche, nach der Bierflasche holte er einen durchgelaufenen Holzpantoffel herauf; dann zog er der Reihe nach ein durchlöchertes Sieb, eine Mausefalle, ein Reibeisen und einen verbeulten Lampenschirm aus dem Weiher. Aber das letzte Mal hing ein Henkeltopf ohne Boden an seiner Angel. Und in dem Henkeltopf steckte der kleine Wassermann. Er hatte sich seine rote Zipfelmütze tief in die Stirn gezogen, schlug mit Armen und Beinen wild um sich und brüllte: „Habuh! Habuuuh!" Das hörte sich schauerlich an!
Der Menschenmann ließ vor Entsetzen die Angel fallen und rannte was-hast-du-was-kannst-du davon. Unterwegs verlor er die Blechschachtel mit den Würmern. Er achtete gar nicht darauf. Er rannte, als ob ihm der Teufel im Nacken säße. Ohne sich noch einmal umzublicken, verschwand er.
„So!", rief der kleine Wassermann fröhlich und schlüpfte aus seinem Henkeltopf wieder heraus. „Ich schätze, den sehen wir nicht so bald wieder! Was meinst du, Cyprinus ?"
„Ich meine", sagte der Karpfen bedächtig, „das hast du ihm herrlich gegeben! Das hätte ein großer Wassermann auch nicht besser gekonnt!"
„Aber ohne den unnützen Plunder", sagte der kleine Wassermann lachend und klopfte dabei mit dem Fingerknöchel an seinen Henkeltopf ohne Boden, „da wäre das gar nicht so einfach gewesen."
„Ach ja", blubberte Cyprinus, „ich sehe ja ein, dass du recht hattest. Sammle nur fleißig weiter Gerümpel! Ich werde mich hüten, noch einmal darüber zu spotten!"
„Na, wenn du's nur einsiehst, dann ist ja alles in Ordnung", sagte der kleine Wassermann selbstzufrieden. „Da kann ich beruhigt ans Ufer schwimmen."
„Ans Ufer?", fragte Cyprinus verwundert. „Was willst du denn dort?"
„Erstens die Angelrute zerbrechen", erklärte der kleine Wassermann, „zweitens die armen Kerle, die da so kläglich im Eimer herumzappeln, wieder in den Weiher zurückschaffen - und drittens ..."
„Und drittens?"
„Drittens will ich die Blechschachtel holen, die dieser Angelfritze verloren hat, und die restlichen Regenwürmer einem gewissen Cyprinus zum Gabelfrühstück verehren."
„Aber nein!", rief Cyprinus gerührt.
„Aber ja!", rief der kleine Wassermann. „Und ich hoffe, sie werden ihm schmecken!"
Saitenspiel
„Der Junge macht sich", sagte der Wassermannvater anerkennend, als ihm der Karpfen Cyprinus die Geschichte von dem Menschenmann mit der Angel erzählt hatte. „Hast du auch nichts dazugeflunkert, Cyprinus?"
„So wahr ich hier schwimme!", beteuerte der Karpfen. „Ich habe nur das gesagt, was ich mit meinen eigenen Augen gesehen habe. Und wenn ich auch nur ein einziges bisschen geflunkert habe, dann will ich doch auf der Stelle vertrocknen!"
„Ja, wenn das so ist, dann muss es wohl stimmen", meinte der Wassermannvater. „Und da gehört es sich eigentlich, dass ich dem Jungen zum Lohn dafür, dass er den Kerl mit der Angel davongejagt hat, eine Freude mache. Was hältst du davon?"
Er winkte Cyprinus ganz nahe zu sich heran und sagte ihm leise ins Maul (denn bekanntlich haben die Karpfen ja keine Ohren), was er mit seinem kleinen Wassermann vorhatte.
„Mmm", sprach Cyprinus und schmunzelte. „Ja, das ist wirklich ein guter Gedanke von dir! Damit machst du dem Jungen bestimmt eine große Freude. Wann sagst du es ihm?"
„Heute Abend", erklärte der Wassermannvater und schmunzelte auch. „Nach dem Nachtmahl, bevor er ins Bett geht. Ich möchte ihn gern damit überraschen."
Wie gut, dass der kleine Wassermann nichts davon wusste! Sonst hätte er sicher beim Abendessen vor Aufregung nicht einen Bissen hinuntergebracht. Aber er hatte ja keine Ahnung von dem, was sein Vater
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