Der kleine Wassermann
wie ich sehe. Und Bierflaschen scheinst du ja gleich ein paar Dutzend auf Lager zu haben."
„Bierflaschen finde ich ziemlich oft. Die meisten sind leider gesprungen", sagte der kleine Wassermann. „Aber das tut nichts, ich hebe sie trotzdem auf."
„Und - wozu, wenn man fragen darf?", forschte der Karpfen Cyprinus.
„Wozu?", wiederholte der kleine Wassermann überrascht. Es wäre ihm nie in den Sinn gekommen, danach zu fragen. Er suchte in aller Eile nach einer Antwort. Noch während er nachdachte, sagte Cyprinus: „Na, siehst du, da haben wir's! Nicht einmal du weißt, wozu du den ganzen Plunder da eigentlich aufklaubst. Das alles ist unnützes Zeug, du solltest es wegwerfen!"
„Wegwerfen?", brauste der kleine Wassermann da aber auf. „Das kommt gar nicht infrage, das musst du schon mir überlassen!"
„Nun gut", meinte Cyprinus, „ich rede dir nicht hinein, es ist deine Sache. Wenn es dir Spaß macht, Gerümpel zu sammeln, dann bitte! Ich jedenfalls würde das nicht tun. Aber ich bin ja auch schließlich ein alter Knabe und nicht erst seit gestern im Wasser."
Cyprinus stieß ein paar Luftblasen aus, um zu zeigen, dass er nun nichts mehr hinzuzufügen gedachte. Dann schwamm er für diesmal davon.
Der kleine Wassermann blickte ihm zornig nach.
„Du kannst reden, soviel du willst!", rief er hinter ihm her. „Aber mir meine schönen Sachen verleiden, das bringst du dein Lebtag nicht fertig!" Und im Stillen hoffte er auf eine Gelegenheit, bei der er Cyprinus davon überzeugen konnte, dass sich mit seinen Reichtümern doch etwas anfangen ließ.
Er brauchte nicht lange darauf zu warten.
Es waren noch keine drei Tage vergangen, da traf er das nächste Mal mit Cyprinus zusammen. Der Alte machte ein bitterböses Gesicht und blubberte immerfort vor sich hin. Was er sagte, verstand der kleine Wassermann nicht; aber dass es bestimmt keine freundlichen Worte waren, das sah er.
„Cyprinus!", rief er ihn an, „ja, was ist denn mit dir los?"
„Ach, lass nur", bekam er zur Antwort, „ich ärgere mich."
„Dass du dich ärgerst", sagte der kleine Wassermann, „sieht ja ein Blinder! Aber worüber denn?"
„Uber den Kerl mit der Angel!" Entrüstet schnappte Cyprinus nach Wasser. „Es ist eine Schande, dass man den Burschen nicht auffressen kann! Sitzt da am Ufer und wartet darauf, dass man anbeißt! Ich frage dich, ob das kein Grund ist, sich krankzuärgern. Auffressen, wenn ich ihn könnte!"
„Auffressen", sagte der kleine Wassermann, „kannst du ihn nicht. Und ich auch nicht. Aber - ich könnte vielleicht etwas anderes ..."
„So?", blubberte der Karpfen Cyprinus gedehnt und schaute den kleinen Wassermann ungläubig an. „Und das wäre?"
„Abwarten, abwarten", wehrte der kleine Wassermann ab, denn er wollte Cyprinus damit überraschen.
Der Karpfen musste ihm zeigen, wo die Angelschnur mit dem Haken ins Wasser hing. Dann hieß er den Alten näher ans Ufer schwimmen und achtgeben, was mit dem Angler geschehen würde. „Mehr kann ich dir jetzt nicht verraten", erklärte er augenzwinkernd, „es ist ein Geheimnis."
Cyprinus schwamm also näher ans Ufer und wartete. Misstrauisch schielte er auf den Menschenmann, der die Angelrute über den Teich hielt. Neben dem Menschenmann stand ein Eimer. Ab und zu schwappte Wasser heraus. Er hat wohl schon ein paar von uns gefangen, dachte Cyprinus mit Grausen. Schlimm muss das sein, so im Eimer zu zappeln. Hoffentlich beißt ihm nicht noch einer an ...
Aber kaum hatte Cyprinus das gedacht, da sah er auch schon, wie der Menschenmann plötzlich die Augen zusammenkniff und sich duckte. Dann riss er mit einem gewaltigen Ruck seine Angel zurück.
Ojemine!, ging es dem guten Cyprinus durch Mark und Gräten. Da hat er schon wieder einen am Wickel, dieser entsetzliche Kerl! Und unsereins muss sich das auch noch ansehen!
In hohem Bogen kam etwas ans Ufer geflogen und landete klatschend im Gras.
Der Menschenmann stürzte sich gleich voller Eifer auf seinen Fang. Aber hoppla, das war ja diesmal gar kein Fisch, den er da heraufgeangelt hatte! Das war ja ... Der Karpfen Cyprinus riss staunend das Maul auf. Das war ja ein löchriger linker Schuh!
Ja wahrhaftig, ein lumpiger, löchriger linker Schuh hing am Angelhaken!
Da ging dem Karpfen Cyprinus ein Licht auf. Er wusste natürlich sofort, wie der Schuh an den Haken gekommen war. Aber der Menschenmann wusste das nicht. Woher hätte der es auch wissen sollen?
Er machte zuerst ein verdutztes Gesicht, dann begann er zu
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