Der Koch
einen Gasherd mit vier Brennern, ein Doppelspülbecken, einen Arbeitstisch und einen Wandkorpus mit Edelstahlabdeckung, auf dem verschiedene Geräte und Küchenmaschinen standen. Der Raum war blitzsauber und glich mehr einem Laboratorium als einer Küche. Nur bei näherer Betrachtung war zu erkennen, dass die verschiedenen Elemente nicht ganz die gleiche Höhe hatten und die Fronten etwas unterschiedlich waren. Maravan hatte Stück für Stück auf Baubörsen und Gebrauchtmärkten zusammengekauft und mit Hilfe eines Landsmanns eingebaut, der in seiner Heimat Sanitärtechniker gewesen war und hier als Lagergehilfe arbeitete.
Er setzte eine kleine Bratpfanne auf die kleinste Flamme, goss Kokosöl hinein und öffnete die Balkontür. Die Fenster gegenüber waren fast alle dunkel, der Hinterhof tief unter ihm lag still und verlassen da. Es regnete noch immer in schweren, kalten Tropfen. Er ließ die Balkontür einen Spalt offen.
In seinem Schlafzimmer standen in Reih und Glied Töpfe mit Currybäumchen, jedes mit seinem Bambusstöckchen, jedes in einem anderen Alter. Das größte reichte ihm bis unter die Achsel. Er hatte es vor ein paar Jahren als Setzling von einem Landsmann aus Sri Lanka bekommen. Aus seinen Ablegern hatte er Bäumchen gezogen, bis es so viele wurden, dass er ab und zu eines verkaufen konnte. Er tat es ungern, aber im Winter fehlte es ihm an Platz. Die Bäumchen waren nicht winterhart, nur in der warmen Jahreszeit konnten sie auf dem Küchenbalkon stehen, im Winter musste er sie im Schlafzimmer ins Licht von Pflanzenlampen stellen.
Er brach zwei der neunblättrigen Zweiglein ab, ging in die Küche zurück, warf sie in das heiße Öl und fügte ein zehn Zentimeter langes Stück Zimt hinzu. Langsam begann es, nach seiner Kindheit zu duften.
In einem Schränkchen unter dem Wandkorpus bewahrte er seine Destillationsutensilien auf: einen Destillationskolben, eine Destillierbrücke mit einem Kühlmantel, einen Auffangkolben, zwei Kolbenhalter, ein Thermometer und eine Rolle PVC-Schlauch. Er baute vorsichtig die Glasteile so zusammen, dass der Destillationskolben über einem Gasbrenner zu stehen kam, legte die Schlauchrolle ins Spülbecken und schloss das eine Ende am Wasserhahn, das andere am Kühlmantel an. Dann füllte er ein Spülbecken mit kaltem Wasser, nahm einen Plastiksack Eiswürfel aus dem Tiefkühler und schüttete sie dazu.
In der Zwischenzeit war der Duft von Kokosöl, Curryblättern und Zimt voll erblüht. Maravan goss den Pfanneninhalt in ein hitzebeständiges hochwandiges Glasgefäß und verarbeitete ihn mit dem Stabmixer zu einer sämigen nussbraunen Flüssigkeit, die er in den Destillierkolben füllte.
Maravan zündete die Gasflamme unter dem Kolben an, zog den einzigen Stuhl heran und setzte sich neben die improvisierte Destillationsanlage. Es war wichtig, dass er den Vorgang unter Kontrolle behielt. Wenn sich die Flüssigkeit zu stark erhitzte, das wusste er aus Erfahrung, würde sich das Aroma verändern. Schon oft hatte er versucht, die Essenz aus diesem Duft, dem Duft seiner Jugend, zu gewinnen. Noch nie war es ihm gelungen.
Jetzt begann sich die Glaswand des Kolbens zu beschlagen. Tropfen entstanden, vermehrten sich und zogen ihre klaren Spuren durch den trüben Beschlag. Die Temperatur des Dampfes stieg rasch auf fünfzig, sechzig, siebzig Grad. Maravan drehte die Flamme kleiner und den Wasserhahn ein wenig auf. Das kalte Wasser stieg in den transparenten Schlauch, füllte die doppelte Wand des Kühlmantels, verließ den Kühler und floss durch ein Schlauchstück in den Abfluss des zweiten Spülbeckens.
In der Küche war nur das gelegentliche Gurgeln des Kühlwassers im Abfluss zu hören. Ab und zu vernahm er Schritte in der Mansarde über ihm. Dort wohnte Gnanam, auch ein Tamile, wie alle Bewohner der Theodorstraße 94. Er war noch nicht lange hier und hatte nach den üblichen ersten sechs Monaten Arbeitsverbot eine Arbeit gefunden. Als Küchenhilfe, wie die meisten Asylbewerber aus Sri Lanka. Er arbeitete im Stadtspital. Dass Maravan ihn um diese Zeit herumgehen hörte - es war kurz vor zwei -, bedeutete, dass Gnanam Frühschicht hatte.
Maravan besaß nur Asylbewerberstatus und musste als Küchengehilfe arbeiten. Aber verglichen mit Gnanam war er privilegiert.
Im Huwyler gab es keine Frühschicht, die um vier Uhr morgens begann. Wenn er Tagesdienst hatte, musste er um neun in der Küche stehen. Und er musste auch nicht mit Zweihundertliter-Kochkesseln hantieren oder
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