Der König von Havanna
dreißig, zweisprachig.«
»Verdammt!«
»Im vergangenen Monat wurden zwanzig Stellen ausgeschrieben, und tausenddreihundert Aspiranten stellten sich vor. Alle entsprachen diesen Anforderungen. Sie kamen aus dem ganzen Land.«
»Was für Stellen?«
»Für alles Mögliche. Ich bin Ingenieur mit siebenjähriger Berufserfahrung. Und ich spreche Englisch und Französisch.«
»Ein Ingenieur für einen Garten? So was wär was für mich.«
»Von wegen! Du hast hier keine Chance. Hau schon ab, die lassen dich nicht mal einen Fuß da reinsetzen.«
»Ja, ich gehe schon … aber, verdammt, ich kann nicht mehr vor Hunger.«
»Nein, nein, hier gibt’s nichts für dich. Hau schon ab.
Wenn dich die Sicherheitsbeamten vom Hotel erwischen, wirst du auf die brutale Tour hinausgeworfen.«
»Wo sind die Mülltonnen?«
»Wenn sie dich beim Durchsuchen der Mülltonnen erwischen … na, weg jetzt. Es sind die Container da drüben, aber ich habe nichts gesagt. Weg jetzt.«
»Verdammt, Genosse, lass mich leben.«
»Nix da, Genosse. Hör jetzt auf, mir zuzuglotzen.« Rey ging hinüber zu den Müllcontainern, da fiel ihm etwas ein, und er ging noch mal zurück.
»Eins muss ich dich noch fragen, Mann.«
»Ach, hör schon auf, mich zu nerven!«
»Kennst du eine sehr hübsche junge Mulattin, die hier tanzt?«
»Ich kenne niemanden von diesen Leuten.«
»Sie heißt Yunisleidi.«
»Ich kenn die Leute nicht, die da drinnen arbeiten. Meine Arbeit ist hier draußen. Verschwinde jetzt und nerv mich nicht weiter.«
Rey ging hinüber zu den Containern. Er versuchte einen zu öffnen, aber es gelang ihm nicht. Ein von Kopf bis Fuß in Weiß gekleideter junger Kerl kam mit einem Mülleimer an, und sobald er Reys Absichten durchschaute, rief er: »Weg da, weg da, hier gibt’s nichts für dich.«
»Ich habe Hunger, lass mich nach was suchen.«
»Hier wird nichts gesucht. Los, los, zieh ab, oder ich rufe die Sicherheitsbeamten vom Hotel.«
Rey musste sich zurückziehen. Und zwar schnell. Ein paar Schritte weiter fand er eine weiße Mütze mit dem grünen Logo DRYP. Genau wie die riesengroße Fahne, die hoch oben auf einem Mast mitten im Garten wehte. Die Besitzer all der Schönheit. »Hm, die ist aber hübsch, was für ein Glück ich heute habe«, dachte er und drückte sie sich tief ins Gesicht, stolz darauf, auf eine so glänzende Weise an dem Betrieb teilzuhaben. Er durchquerte den Garten bis zur Straße. Dann kam ihm in den Sinn, zurück zum Strand zu gehen. Vielleicht gab ihm ein Tourist etwas. Vorsichtig ging er zwischen Meertrauben und Mandelbäumen näher heran. Man hatte ihm an dem Morgen so viel gedroht, dass er besser bedächtig zu Werke ging. Heimlich spähte er zwischen einer Kokospalme und Dünen um sich und war fasziniert. Nie zuvor hatte er einen so schönen Strand gesehen, mit smaragdgrünem Wasser, ruhigem, glitzerndem Meer, alles wohltuend. Ein paar Touristen sonnten sich. »Verdammt, die Frauen haben nackte Busen! Mensch! Und was für hübsche! Man sieht, dass diese hier keine Kubaner sind. Wenn die Durchgeknallten aus Zentral-Havanna hierher kämen, würden sie sich den ganzen Tag lang einen runterholen.« Er ließ sich von den europäischen Busen nicht hypnotisieren, schaltete ab und sah genauer hin. Tatsächlich: Ein paar Strandpolizisten in Shorts bewachten die Zone. Im Grunde genommen hatte er Lust, sich ins Meer zu stürzen. Zum ersten Mal in seinem Leben verspürte er Lust auf Wasser. Dies hier war ein so schöner Ort, wie er nie zuvor einen gesehen hatte. »Zurück, Rey, zurück«, dachte er und zog sich vorsichtig zurück. Unter den Bäumen stand eine kleine Bar-Cafeteria. Hier hatte er Glück. Er kam von hinten. Keine Menschenseele war da. Er schlug die Eisendeckel der Mülltonnen auf und fand mühelos unzählige frische Pizza- und Sandwichreste sowie einen etwas vergammelten, aber doch appetitlichen und nahrhaften Wurstzipfel. Rasch stopfte er all das in sich hinein und ging wieder, ohne jede Behelligung. Glücklich und zufrieden.
Nach diesem Mittagessen fühlte er sich sehr wohl und beschloss, es noch einmal zu wagen. Er wollte den Strand sehen und sich ein wenig erholen. Vorsichtig unternahm er einen erneuten Annäherungsversuch zwischen Mandelbäumen, Kokospalmen und Meertrauben. Er machte es sich im Schatten bequem. Die Polizisten waren weit weg. Kein Busen in Sichtweite. Aber der Strand war unglaublich. Er lehnte sich an einen Baumstamm und schlief vier Stunden lang tief und fest. Als er wieder
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