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Der Kojote wartet

Der Kojote wartet

Titel: Der Kojote wartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tony Hillerman
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entbehren können«, versicherte er Chee. »Aus Window Rock ebenfalls, und ich frage nach, ob jemand aus Crownpoint zufällig in deine Richtung unterwegs ist. Ist das Blut noch frisch?«
    Chee betrachtete seine Hand und verzog das Gesicht. »jedenfalls noch klebrig«, antwortete er. »Irgendwo zwischen glitschig und klebrig.« Aus der Handfläche fehlte ein großes Stück Haut. Das muß der Türgriff gewesen sein, dachte er. Der glühende Griff mußte ihm das Fleisch bis fast auf die Knochen weggesengt haben.
    »Du hast keinen anderen Wagen gesehen?«
    »Doch, einen. Als ich von Red Rock gekommen bin, ist ein weißer Jeepster von der Dreiunddreißig auf die Straße nach Biklabito abgebogen. Ich glaube, der Fahrer war dieser vietnamesische Mathematiklehrer von der Shiprock High School. Es müßte eigentlich sein Wagen gewesen sein.« Chee konnte kaum schlucken. Auch seine Lungen schmerzten. Wie seine Augen und sein Gesicht. Er tastete es mit gefühllosen Fingern ab. Die Augenbrauen waren völlig versengt.
    »Okay, wir übernehmen dann den Rest«, sagte Largo gerade. »Mit der Spurensuche lassen wir uns Zeit, bis es wieder hell ist. Bring in der Umgebung des Wagens nichts durcheinander, verstanden?« Der Captain machte eine Pause. »Klar?« fragte er dann.
    »Ja, natürlich«, bestätigte Chee. Er hatte genug geredet. Er wollte losziehen, um Delbert Nez' Mörder aufzuspüren. Er hätte bei Nez sein müssen. Er hätte hinfahren müssen, um ihm zu helfen.
    »Du bist auf der Dreiunddreißig nach Osten gefahren? Von Red Rock aus? Am besten fährst du dieselbe Strecke zurück -ganz bis zur Sechshundertsechsundsechzig. Vielleicht fällt dir unterwegs irgend etwas auf. Falls der Täter motorisiert war, kann er nur dorthin weitergefahren sein.«Largo hielt für einen Moment inne. »Mal ganz abgesehen von deinem vietnamesischen Lehrer.«
    Chee kam jedoch nicht bis zum U.S. Highway 666. Etwa drei Meilen östlich der Einmündung erfaßten seine aufgeblendeten Scheinwerfer die Gestalt eines Mannes, der vor ihm her über den Asphalt marschierte. Chee ging auf die Bremse. Der Mann schwankte mitten auf der nach Westen führenden Fahrspur weiter. Er trug keine Kopfbedeckung, aber seine grauen Haare waren mit einem Tuch zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Sein regennasses Hemd klebte an seinem Rücken.
    Der Unbekannte schien die Scheinwerfer, die jetzt bis auf wenige Meter herangekommen waren, überhaupt nicht wahrzunehmen. Ohne sich umzusehen, ohne Anstalten zu machen, dem Wagen auszuweichen, marschierte er stetig weiter, schwang etwas in der rechten Hand und bewegte sich in leichten Schlangenlinien, aber im gleichmäßigen, nicht überhasteten Schrittmaß eines Mannes, der schon weite Strecken hinter sich gebracht und noch weite vor sich hat.
    Chee steuerte den Streifenwagen neben ihn und kurbelte sein Fenster herunter. Der Gegenstand, den der Mann schwang, erwies sich als eine viereckige Flasche, die er am Hals umklammert hielt. » Yaa'eh t'eeh !« rief Chee - den unter Navajos üblichen Gruß. Der Mann ignorierte ihn und setzte seinen Weg unbeirrt fort. Als er wieder ins Scheinwerferlicht trat, sah Chee, daß er hinten im Hosenbund etwas Klobiges stecken hatte. Es sah wie ein Revolvergriff aus.
    Chee öffnete den Verschluß seines Halfters, zog seinen eigenen Revolver heraus und legte ihn auf den Beifahrersitz. Dann betätigte er die Sirene. Aber der Grauhaarige schien das plötzliche Aufheulen nicht zu bemerken.
    Chee griff zum Mikrofon, rief Shiprock und gab seinen Standort durch. »Vor mir marschiert ein Mann - etwa einsfünfundsiebzig groß, ältlich, grauhaarig - vom Brandort weg nach Westen die Straße entlang. Er scheint einen Revolver im Hosenbund stecken zu haben, hält in der rechten Hand eine Whiskeyflasche und benimmt sich ziemlich eigenartig.«
    »Benimmt sich ziemlich eigenartig«, wiederholte der diensthabende Beamte.
    »Ich halte ihn für betrunken«, sagte Chee. »Er tut so, als würde er mich weder hören noch sehen.«
    »Der Verdächtige ist betrunken«, wiederholte sein Kollege. »Vielleicht«, stellte Chee richtig. »Ich nehme ihn jetzt fest.« Was unter Umständen leichter gesagt ist als getan, dachte Chee. Er fuhr an dem Dahinschreitenden vorbei und wendete dann, so daß sein Fernlicht den Mann anstrahlte. Dann stieg er mit dem Revolver in der Hand aus. Ihm war schwindlig. Seine Umgebung erschien ihm vage und verschwommen.
    »Halt! Bleiben Sie stehen!« rief Chee.
    Der Alte hielt inne. Er starrte Chee

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