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Der Kojote wartet

Der Kojote wartet

Titel: Der Kojote wartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tony Hillerman
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Gedächtnis.« Sie sah Leaphorn in die Augen und sprach langsam und deutlich, als sei er der Richter. Als verkörpere er die Geschworenenbank. Aber konnte Whiskey nicht auch einen Spaßvogel zum Mörder machen-genau wie er Traurige und Zornige zu Morden anstiftete?
    »Er hat einen wundervollen Sinn für Humor«, wiederholte Bourebonette.
    Das beweist überhaupt nichts , dachte der Lieutenant. Aber es war interessant. Ebenso interessant war, daß sie ihm das alles erzählte. Sie war weit gereist, hatte viel Zeit aufgewendet und würde noch viel Geld ausgeben müssen, falls sie tatsächlich einen Privatdetektiv engagieren wollte. Und sie hatte nur eine sehr unbefriedigende Erklärung für ihre Verwicklung in diesen Fall.
    Deshalb bat Leaphorn seine Verwandte aus dem Turning Mountain Clan und die Professorin um einen Augenblick Geduld. Er rief eine Etage tiefer an und ließ sich die Akte mit der Aufschrift MORD: DELBERT NEZ bringen.
    Er war nicht dagewesen, als es passiert war, sondern hatte in einem Hotelzimmer in Phoenix, Arizona, darauf gewartet, bei einer Berufungsverhandlung vor dem dortigen Bundesgericht als Zeuge auszusagen. Trotzdem erinnerte er sich an die meisten Einzelheiten. Selbstverständlich hatte er jeden Tag die Berichterstattung in der Phoenix Gazette und der Arizona Republic verfolgt. Und er hatte im Shiprock angerufen und mit Captain Largo über den Fall gesprochen. Die Navajo Tribal Police bestand aus nur rund 110 Beamten, so daß die Ermordung eines Kollegen jedem einzelnen Beamten persönlich naheging.
    Der Lieutenant hatte Delbert Nez kaum gekannt und ihn als kleinen, ruhigen, pedantisch ordentlichen Beamten in Erinnerung. Sie waren beide in Window Rock stationiert gewesen, so daß Leaphorn oft mit ihm zu tun gehabt hatte. Nez hatte versucht, sich einen Schnäuzer wachsen zu lassen. Das war für Navajos mit ihrem spärlichen Bartwuchs nicht einfach, und seine kümmerlichen Stoppeln hatten ihm Hänseleien und anzügliche Bemerkungen eingebracht.
    Den Beamten, der den Tatverdächtigen festgenommen hatte, kannte Leaphorn weit besser. Chee hatte schon bei mehreren Ermittlungen seinen Weg gekreuzt. Ein ungewöhnlich cleverer junger Mann. Intelligent. Sehr begabt. Aber er hatte eine Eigenschaft, die seine Laufbahn ernstlich gefährden konnte: Er war ein Individualist, der sich nur an die Vorschriften hielt, wenn es ihm gerade paßte. Außerdem war er ein Romantiker. Er wollte sogar Medizinmann werden! Leaphorn lächelte über diese Idee. Polizist und Schamane in einer Person. Diese beiden Berufe waren nicht miteinander vereinbar.
    Leaphorn ertappte sich bei der Frage, ob er wohl Chees erster Kunde gewesen sei. In einer schweren Stunde - damals, nach Emmas Tod, als er schrecklich deprimiert war -hatte er Chee gebeten, für ihn das Lied, das den Segen bringt, zu zelebrieren. Eine durch und durch impulsive Entscheidung -was gar nicht seiner Art entsprach. Teils, um dem jungen Mann Gelegenheit zu geben, teils Emmas Verwandtschaft zuliebe.
    Die Yazzies gehörten zum Bitter Water Clan und waren Traditionalisten. Die Zeremonie sollte eine unausgesprochene Entschuldigung für das Leid sein, das er ihnen zugefügt haben mußte. Leaphorn hatte den Hogan seiner Schwiegermutter schon am zweiten Morgen nach Emmas Beisetzung im Canyon verlassen, weil er die traditionell viertägige schweigende Trauer im Familienkreis nicht ertragen konnte. Damit hatte er die Yazzies gekränkt, und er hatte sein Verhalten später bedauert.
    Deshalb hatte er Agnes angerufen und ihr erzählt, er habe einen Sänger bestellt. Er hatte sie gebeten, die Zeremonie zu arrangieren. Das hatte sie nur allzu gern übernommen, denn sie wußte recht gut, daß sein eigener Clan - die Slow Talking
    Dineh - jetzt weit verstreut und fast ausgestorben war und daß Leaphorn kaum noch nahe Verwandte hatte. Ihre Gegenwart war ihm immer ein bißchen unheimlich gewesen. Agnes hatte nie geheiratet, und als Witwer hätte er nach alter Sitte eigentlich die ledige Schwester seiner verstorbenen Frau heiraten müssen.
    Leaphorn blickte zu den beiden Frauen hinüber, die geduldig wartend vor seinem Schreibtisch saßen, und sah dann wieder in die Akte Nez. Er dachte an Officer Jim Chee, der mit im Nacken zusammengebundenen Haaren seine Gerätschaften auf dem frischgekehrten Erdboden des Yazzie-Hogans ausgebreitet hatte. Chee war nervös gewesen, als er einen kleinen Teppich vor Leaphorn ausgebreitet und ihm gezeigt hatte, wo er an die Westwand des Hogans gelehnt

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