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Der Kopflohn

Der Kopflohn

Titel: Der Kopflohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Seghers
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»Herein!« rief, wurde aufgemacht. Bastian, Johann, die Kinder sahen erschrocken aus.
    Dann aber war es für Bastian eigentlich nichts zum Erschrecken, höchstens zum Kopfschütteln. Zu den glänzenden Stiefeln und ledernen Gürteln, zu den knalligen Schritten und Stimmen gehörten bekannte Gesichter: Gottliebund Christian Kunkel und Kunkels ordentlicher Knecht, der Kößlin. Sie klap perten mit der Sammelbüchse.
    Gottlieb Kunkel blieb in der Tür stehen. Er war im letzten Monat durch die Erntearbeit stark und fest geworden, nicht mehr schlaksig. Wie immer, wenn er untätig war, beobachtete er seinen Bruder mit schwerem, argwöhnischem Blick. Kunkel benutzte die Gelegenheit, mit seinen scharfen Blicken das fremde Zimmer abzusuchen, das Werkzeug auf dem Tisch.
    Kößlin aber schichtete auf ein freies Tischeck die mitgebrachten Flugblätter. Er sagte: »Bastians, gebt fünfzig Pfennig für den Wahlfonds der Nationalsozialisten. Ich weiß, das kommt euch hart an. Aber bedenkt, wem ihr’s gebt. Ihr gebt’s in die Hand von Adolf Hitler. Dort ist es gut aufgehoben. Er wird euren Kindern Land und Brot dafür schaffen.«
    Bastian unterdrückte ein Lächeln. Wenn er lächelte, dachte Johann, so hat er früher ausgesehen, bevor er ins Dorf zurückgekehrt ist. »Lieber Jung, wenn ich fünfzig Pfennig übrig hätt, würd ich meinen Kindern jetzt schon was dafür kaufen.«
    Kößlin fuhr fort: »Wenn Sie schon nichts geben können, Sie können eine Stunde Zeit drangeben. Sie kommen morgen abend auf unsere Versammlung. Das werden Sie tun. Das versprechen Sie.« Bastian hörte zu lächeln auf. Es war ihm unbehaglich. Versprach er, war’s versprochen. Versprach er nichts – er hätte gern gewußt, wieviel Familien im Dorf eigentlich hinter diesen dreien standen. Er sah Johann ängstlich an.
    In diesem Augenblick wandte sich Kößlin, der Bastians Gesicht genau beobachtete, an Johann. »Sie werden ja kommen. Sie nehmen ihn mit.« Sie sahen einander an, vielleicht dachten beide im Augenblick dasselbe: Du siehst nicht schlecht aus. Dein Blick gefällt mir. Zuerst hatte Johanns Herz geklopft. Er war aber jetzt ganz ruhig. Ihre Blicke ließen sich nicht sofort los, unabhängigvom Willen, als hätten sie sich ineinander verhakt. Kunkel unterbrach die dadurch entstandene Pause, indem er mit der Büchse klapperte. Bastian krümmte sich zusammen unter Kunkels scharfen, eng zusammenliegenden Augen. Ob der einem schaden konnte? Er holte seufzend zehn Pfennig und warf sie in den Spalt. Sie dankten. Sie zogen dann gleich mit »Heil!« ab.
    Johann und Bastian setzten sich an ihre alten Plätze. Sie nahmen ihre Arbeit wieder auf. Schließlich fragte Bastian: »Hältste was davon?«
    »Was haltet Ihr denn davon?«
    »Ich halt von gar nichts was.«
    »Warum habt Ihr zehn Pfennig reingeworfen?«
    »Hab mir’s nicht verderben wollen.«
    Die drei gingen zu den Schüchlins. Aber Schüchlin hatte sie schon kommen sehen. Er schickte die Frau. Die Schüchlin hatte ihr Kind in ein großes Tuch gewickelt. Sie hatte den Arm so gebogen, daß das Kind, während sie ging, weitertrinken konnte. Sie seufzte und öffnete. Sie sagte undeutlich, weil sie im Sprechen die Kiefer schlecht zusammenbrachte: »Niemand zu Haus.« In Kößlins eben noch klarem Gesicht zeigte sich sofort ein Ausdruck von Schreck und Widerwillen. Sie gingen schnell weg.
    Bei Niklas’ Eltern rief die Frau aus dem Stall: »Keine Zeit. Unser Niklas hat schon gesagt, daß ihr kommt. Da liegt ’n Groschen auf ’m Küchentisch. Wenn’s durchaus sein muß, nehmt ihn halt. Nehmt ihn halt mit, wenn’s sein muß.«
    Sie gingen zu Algeiers. Alle vier saßen um den Tisch, auch Paul. Er wurde knallrot. Auch seine Mutter und seine Schwester wurden rot. Algeier aber sagte ruhig: »Kann ich nich. Ich bin arm. Ich hab nichts. – Ihr habt ja meinen Jungen.« Kunkel sagte: »Da habt ihr ja schöne Tänze getanzt, bis wir den gehabt haben.« Kößlin zupfte Kunkel am Ärmel. »Laß.«
    Algeier erwiderte: »Ich bin ein alter Mann. Für Politik bin ich nich. Ich bin nich für euch, ich bin nicht gegen euch.«
    Kößlin sagte: »Sie kennen doch das Wort: Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich.«
    Algeier drehte die Zunge in den hohlen Backen. Merkwürdigerweise entstand dadurch ein Ausdruck: Siehst du, mein Sohn, genau das hab ich auch gemeint.
    »Heil, Paul. Auf morgen.«
    »Heil«, sagte Paul schüchtern, krebsrot. Er fürchtete sich, was man ihm sagte, wenn seine Kameraden die Tür zumachten.

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