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Der Kopflohn

Der Kopflohn

Titel: Der Kopflohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Seghers
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der trug einen Verband.
    Ibst hatte den roten Stützpunkt seit vielen Jahren ordentlich gehalten, einen der wenigen in dieser Gegend. Außer ihm selbst gab es nur noch welche in Niederweilerbach dicht bei der Stadt, und in Beuren, wo früher Sandgruben waren. Auch Ibst war aus Beuren zugezogen, in die Familie seiner Frau, als die Gruben geschlossen wurden. Mit ruhiger, gleichmütiger Hartnäckigkeit dämpfte er die zuerst offene Feindschaft der Bauern; manche redeten nach und nach mit ihm, fragten, wurden zugänglich. Mit Zillich hatte er übrigens all die Jahre wenig geredet, weder feindlich noch zugänglich, er hielt ihn für einen schweren, gedankenlosen Mann. Dann war Zillich Nazi geworden, über Nacht, wie es Ibst vorkam, jedenfalls war ihm die Folge von Zillichs Gedanken bis zum Entschluß unbekannt. Er war überrascht gewesen, als er den stummen Zillich im Wirtshaus losreden hörte, wild, außer sich. Er hatte ein Wort gerufen, ohne Verachtung, wie er glaubte. Da hatte Zillich wild gestochen.
    Zillich hatte wohl im Grund geglaubt, Ibst ließe sich nun nicht mehr im Dorf blicken, aber Ibst hatte sich nicht nur von seinen Genossen am Spital abholen lassen, er machte mit seinem verbundenen Auge gleich die ganze rote Landfahrt mit.
    Als sie in den beiden Lastautos begriffen, wer da zusammenprallte, klopften die Herzen, die Fahrer fuhren unwillkürlich geschwinder. Einen Augenblick sah es aus, als sollten die beiden Autos nur scharf aneinander vorbeifahren, als brüllten sie nur – aber Zillich hatte plötzlich im Vorbeifahren den kleinen, leichten Ibst um dieHüften gepackt, seine Genossen konnten ihn nicht festhalten, weil er sonst zerrissen wäre. Zillich hielt ihn unter seinem Arm über der Erde, ließ ihn dann in voller Fahrt fallen. Das rote Auto wendete. Zillichs Auto hielt, indem es sich schräg zur Straße stellte. Alle sprangen heraus, um übereinander herzufallen. Es sah sofort nach viel Blut aus. Da rief Rendel: »Zillich! Zillich!« Rendel war klein wie Ibst, seine Stimme aber war mühelos. In diesem Augenblick war sein kleiner, etwas schwächlicher Körper nur der Klöppel seiner alle überraschenden Stimme. Zillich rief mit ebenso starker Stimme, die aber bei ihm nicht überraschte: »Kannst mich haben!« Es gab eine Stockung, um sie aufeinanderzulassen. Rendel schrie: »Drei Fragen: Zillich!« – »Red los!« Sie hielten ihre Leute hinter sich zurück. Ibst wurde schnell aufgehoben. Er war nicht bei Bewußtsein, doch atmete er schwer. Hinter den Männern war vollkommene Stille. Es war zwischen acht und neun Uhr abends, im Freien war noch alles gut zu erkennen. Über der dunkeln Erde lag streifenweise der etwas metallische Glanz, der Stoppelfeldern eigen ist und das Vorgefühl von Herbst gibt. Die beiden anderen Lastautos kamen mit Lichtern nachgefahren. Da niemand ein Kommando gab, hielten sie und warteten. Zillich und Rendel traten aufeinander zu, aber nicht mehr in Kampfesabsicht, sondern um sich deutlicher zu sehen, ein Mann den anderen. Zu seinem Erstaunen entdeckte Rendel in Zillichs Gesicht eine Spur von Trauer, er dachte später oft daran. Er sagte: »Bei euch in Botzenbach haben wir und ihr den Bauer Gräwes drängen wollen, daß die Gebühr für die Dreschmaschine gestaffelt wird. War das richtig?« Zillich sah Rendel erstaunt an. Er dachte nach, dann sagte er: »Das war richtig.« Rendel fuhr fort: »In Niederweilerbach bei Albrecht Osig, da waren wir und ihr gegen die Pfändung. War das richtig?« Zillich senkte seinen großen Kopf, als könnte er wie ein Zyklop Rendel besser mit seiner flachen, rechteckigen Stirn ansehen. Dann sagteer: »Auch richtig.« Rendel sagte, er sagte jeden Satz leiser als den vorherigen: »Jetzt das letzte: Ihr habt Mittwoch Versammlung in Botzenbach. Gebt mir freies Geleit.« Zillich erwiderte: »Das kann ich dir jetzt nicht geben. Da mußt du warten.« – »Bis wann?« – »Bis Dienstag.« Rendel sagte: »Gut.« Er drehte sich um und kletterte wieder hinauf. Zillich schrie: »Durchlassen!« Er spuckte aus und kletterte gleichfalls hinauf.
IV
    Als Schüchlin ins Holz gegangen war, legte sich die Frau noch einmal im Kleid aufs Bett. Das Kind gluckste und zuckte; sie streckte den Arm aus, hakte den Zeigefinger in die Wiege und rüttelte. Dann schlief sie ein. Dann schrie es wieder draußen: Susann, Susann. Sie rückte hoch, doch war der Mann gar nicht zurückgekehrt, nur seine ständigen Rufe waren in ihren Ohren eingenistet. Vor Schreck war ihr die Brust

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