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Der Krankentröster (German Edition)

Der Krankentröster (German Edition)

Titel: Der Krankentröster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen von der Lippe , Gaby Sonnenberg
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stelle ich meinen Laptop auf den Tisch und starte die DVD. Die 34-jährige Anke, Frau Gerbsch, Herr Wolf und ich schauen uns das Video an. Zum Teil hängen wir an unseren Chemos oder anderen Flüssigkeiten, die wir ständig an unseren Ständern hinter uns herziehen, und es entsteht eine wunderbare Atmosphäre. Nämlich die der Hoffnung und einer besonderen Verbundenheit.

    Einmal lag ich mit Lisa im Zimmer, die ein besonderes Schicksal getroffen hatte. Denn ihre Leukämie wurde bei ihr diagnostiziert, als sie schwanger war. Ihr Kind musste per Notkaiserschnitt geholt und mit ihr sofort die Chemo begonnen werden. Jetzt wurde sie gerade auf eine Knochenmarktransplantation vorbereitet. Mit Bestrahlungen und etlichen Untersuchungen. Das Gemeine war, dass ihr auch noch alle Weisheitszähne sowie zwei Backenzähne gezogen werden mussten, da sie sich im Röntgenbild als mögliche Infektionsquelle herausgestellt hatten. Lisa hatte Angst und Wut und weinte viel oder schlug ihr Kissen vor lauter Verzweiflung laut fluchend aufs Bett. »The Secret« wollte sie sich nicht anschauen, da sie an so was nicht glaubte. Aber dann fand ich ein Lied, das ich ihr vorspielte. »Der Himmel soll warten« von Sido.

    Sie liebte dieses Lied. Sie sang laut mit und tanzte, sagte, wenn sie von einer neuen Bestrahlung kam: »Ich brauche jetzt erst mal dieses Lied.«

    Also fingen wir an, unsere kleine Disco im Zimmer zu veranstalten. Zum Aufstehen hörten wir laut Musik, damit der Blutdruck in Schwung kam, und die Schwestern freute es, dass bei uns gute Stimmung im Zimmer war.

    Gegenseitig tauschten wir dabei Fotos aus. Sie hatte mal freiwillig einen Sommer nur für Unterkunft und Verpflegung auf einer Alm gearbeitet und zeigte sie mir fröhlich, in schönen Erinnerungen schwelgend.

    Als die Ärztin mit einer Assistentin hereinkam, um bei ihr eine Knochenmarkpunktion durchzuführen und ich die Musik, die ich von meinem Laptop aus abspielte, ausschalten wollte, weil ich dachte, es stört sie, sagte die Ärztin: »Ach schade, ich dachte ich hätte mal eine Punktion mit Musik.« Und so war es der erste Eingriff, der dann auf der Station 3/5 mit Musik durchgeführt wurde.

    Erstaunlich, wie Musik positiv beeinflussen kann. Ich höre gerade mein absolutes Lieblingslied dieses Winters in Endlosschleife: »Shake up Christmas« von Natasha Bedingfield.

    Was man vermeiden sollte, wenn man sich schon in einer schwierigen Lebenssituation befindet: traurige Musik zu hören. Außer man möchte leiden, das muss ja auch manchmal sein. Ansonsten helfen Gute-Laune-Lieder. Und dabei kann man darüber nachdenken, was die Erkrankung auch für Vorteile bringt. Denn es gibt immer Vorteile, nicht nur Nachteile.

    Als mein Arzt zum Beispiel ins Zimmer kam, um Infusionen zu bringen, fragte er mich immer darüber aus, welches Computerspiel ich gerade spiele. Und er meinte, wenn er einmal krank werden würde, würde er sich eine Playstation kaufen und den ganzen Tag spielen. Dann hätte er mal Zeit für so etwas. Und er erinnerte sich, wie er als Kind einmal im Krankenhaus lag und für all die Dinge Zeit fand, zu denen er sonst nicht kam. Da er so viel für die Schule lernen musste oder seine Geschwister ihn störten. Wir kamen auch zu dem Schluss, dass es wunderbar ist, wieder ausschlafen zu können, keinen Leistungsdruck zu spüren. Wirklich wieder einmal Zeit für Dinge zu finden, die einem Freude machen.

    Zudem dachte ich mir, andere gehen ein halbes Jahr ins Kloster, um zu sich finden, und ich bin halt im Krankenhaus. Ich ging ab und zu in die Krankenhauskirche, las Bücher, die ich schon immer lesen wollte, und hatte das Glück, meist mit Menschen auf dem Zimmer zu liegen, mit denen ich tiefgründige Gespräche führen konnte. Zudem sah ich ja sowieso mit meiner Glatze wie ein buddhistischer Mönch aus und versuchte, zu meditieren und Gelassenheit und Kraft zu sammeln. Und ich fing sogar mit Sport an und hatte mein eigenes Ergometer aufs Zimmer bekommen, da ich am Programm Sport und Krebs teilnahm, und meinte: »Leute, ich hier werde ich noch fitter herauskommen, als ich es vorher war!«

    Als ich im Internet nach schönen Dingen Ausschau hielt, fand ich das: http://www.actionforhappiness.org/10-keysto-happier-living

    Ach, und noch etwas Positives hatte es: Denn als Hypochonder konnte ich nun sagen: Hach, ich hab es doch schon immer gewusst!

    Außerdem bekommt man Medikamente verschrieben, die sonst keiner verschrieben bekommt. Wie Tabletten mit Cannabinoiden.

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