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Der Krater

Titel: Der Krater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Preston
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Jackie. »Wofür?«
    »Was kann man hier schon machen, außer sich die Sterne anschauen?«
    Jackie brummte zustimmend. »Was hat es gekostet?«
    »Siebenhundert Dollar. Hab’s bei eBay gefunden, ein Celestron Acht-Zoll-Cassegrain mit automatischer Nachführung, Kamera und allem Drum und Dran.«
    Ein leiser Pfiff. »Du musst im Landing ja tolle Trinkgelder bekommen.«
    »Die lieben mich da. Ich könnte nicht mehr Trinkgeld kriegen, wenn ich den Gästen einen blasen würde.«
    Jackie prustete vor Lachen, verschluckte sich am Rauch und hustete. Sie gab den Joint zurück, und Abbey zog noch einmal lange.
    »Randy ist aus dem Maine State Prison raus«, bemerkte Jackie mit gesenkter Stimme.
    »O Gott. Randy kann sich von mir aus auf eine Hummerboje setzen und im Kreis herumpaddeln.«
    Jackie unterdrückte ein Lachen.
    »Was für eine Nacht«, sagte Abbey, die zur riesigen Himmelskuppel voller Sterne hochschaute. »Wir machen ein paar Bilder.«
    »Im Dunkeln?«
    Abbey prüfte mit einem Blick zu Jackie, ob das ein Scherz sein sollte, doch auf deren Lippen lag kein ironisches Lächeln. Zuneigung zu ihrer dümmlichen, liebenswerten Freundin wallte in Abbey auf. »Ob du es glaubst oder nicht«, sagte sie, »Teleskope funktionieren im Dunkeln sogar besser.«
    »Klar. Wie dämlich.« Jackie schlug sich an die Stirn. »Hallo?«
    Sie gingen zum Ende des Piers. Abbey baute das Stativ auf und vergewisserte sich, dass es sicher auf den Holzplanken stand. Sie konnte Orion tief am Himmel hängen sehen und richtete das Teleskop dorthin aus. Es verfügte über einen computergesteuerten Sucher, und sie brauchte nur eine voreingestellte Position auszuwählen. Mit leisem Surren des Schneckengetriebes richtete sich das Teleskop von selbst so aus, dass es auf eine Stelle an der Schwertspitze des Orion deutete.
    »Was schauen wir uns denn an?«
    »Den Andromedanebel.«
    Abbey blickte durch das Okular, und die Galaxie sprang förmlich auf sie zu, ein strahlender Wirbel aus fünfhundert Milliarden Sternen. Der Gedanke, wie gewaltig diese Galaxie war und wie winzig sie selbst, schnürte ihr die Kehle zu.
    »Lass mal sehen«, sagte Jackie und strich sich das lange, widerborstige Haar zurück.
    Abbey trat zurück und bot ihr mit einer Geste das Okular an. Jackie drückte das Auge daran. »Wie weit ist es weg?«
    »Zweieinviertel Millionen Lichtjahre.«
    Jackie starrte eine Weile schweigend durch das Teleskop und richtete sich dann auf. »Glaubst du, dass es da draußen Leben gibt?«
    »Natürlich.«
    Abbey justierte das Teleskop neu, zoomte zurück und vergrößerte das Sichtfeld, bis fast das ganze Schwert des Orion zu sehen war. Andromeda war zu einem kleinen Watteknäuel geschrumpft. Sie drückte den Fernauslöser am Kabel und hörte das leise Klicken, mit dem sich der Blendenverschluss öffnete. Die Belichtungszeit war auf zwanzig Minuten eingestellt.
    Eine leichte Brise wehte vom Meer herein und ließ die Takelage eines Segelboots klirren, und alle Boote im Hafen schwangen einhellig herum. Der Windhauch fühlte sich an wie der Vorbote eines Sturms, trotz des vollkommen stillen Wassers. Ein einsamer Seetaucher rief draußen auf dem Wasser, und ein zweiter, noch weiter weg, antwortete ihm.
    »Zeit für die nächste Tüte.« Jackie begann einen Joint zu drehen, leckte über das Papier und steckte ihn zwischen die Lippen. Ein Klicken, und die Flamme des Feuerzeugs erhellte ihr Gesicht, die blasse, sommersprossige Haut, die grünen, irisch wirkenden Augen und das schwarze Haar.
    Abbey sah den plötzlichen Lichtschein, ehe sie das Ding selbst sah. Es kam hinter der Kirche hervor, und der Hafen war augenblicklich taghell erleuchtet. Lautlos wie ein Geist raste es über den Himmel, und dann erschütterte ein gewaltiger Überschallknall den Kai, gefolgt von einem Brüllen wie aus einem Hochofen. Das Ding schoss mit unglaublicher Geschwindigkeit über den Ozean hinweg und verschwand hinter Louds Island. Einem letzten Aufblitzen folgte lautes Donnergrollen, das über das weite Meer hinwegrollte, bis es verklang.
    Hinter ihr, oben im Ort, begannen Hunde hysterisch zu bellen.
    »Was …?«, sagte Jackie.
    Abbey konnte sehen, dass das ganze Dorf aus den Häusern gestürzt kam und auf der Straße zusammenlief. »Weg mit dem Gras«, zischte sie.
    Die Straße zum Hafen herunter füllte sich mit Menschen, deren aufgeregte, erschrockene Stimmen durcheinanderschwatzten. Die Leute strömten zum Kai, mit blinkenden Taschenlampen und zum Himmel zeigenden Fingern.

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