Der Krieg der Welten
gab ich es auf und gelangte, weite Strecken durch einen feuchten Graben kriechend und von jenen riesigen Maschinen unbemerkt, in das Fichtengehölz von Maybury. Unter dem Schutze der Bäume tastete ich mich, naß und durchfröstelt, bis zu meinem Hause durch. Ich versuchte, im Wald den Fußweg zu finden. Es war völlig dunkel. im Gehölz die Blitze wurden seltener, und der Hagel fiel in Säulen durch die Lücken der dichten Zweige. Hätte ich die Bedeutung aller Erscheinungen, die ich gesehen hatte, klar erfaßt, dann hätte ich wohl unverzüglich den Weg über Byfleet nach Street Cobham eingeschlagen und wäre auf diese Weise zurückgekehrt, um mich mit meiner Frau in Leatherhead wieder zu treffen. Aber in jener Nacht hinderten mich die seltsamen Erlebnisse und mein elendes körperliches Befinden daran; denn ich war zerschunden, ermattet, bis auf die Haut durchnäßt und vom Sturm betäubt und geblendet. Ich hatte nur ganz unbestimmt den Plan, nach meinem Haus zu gelangen, und das war der einzige Gedanke, der mich erfüllte. Ich stolperte über die Baumstrünke, fiel in eine Pfütze, verletzte meine Knie an einer Planke und watete endlich auf dem Weg, der vom Gasthaus "Zum College-Wappen" hinunterführt. Ich sage watete, denn das stürmische Wasser schwemmte den Sand in schmutzigen Wildbächen den Hügel hinab. In dieser Dunkelheit taumelte plötzlich ein Mann gegen mich und stieß mich fast zu Boden.
Er stieß einen Schreckensschrei aus, sprang zur Seite und rannte wie besessen davon, bevor ich meine Gedanken so weit sammeln konnte, um mit ihm zu sprechen. Aber die Wut des Sturmes war gerade an dieser Stelle so heftig, daß ich nur mit dem Aufgebot meiner ganzen Kräfte den Weg hügelaufwärts gewinnen konnte. Ich ging dicht an dem Geländer zu meiner Linken entlang und tastete mich an den Planken weiter.
Nahe der Spitze des Hügels stolperte ich über etwas Weiches, und beim Zucken eines Blitzes sah ich zu meinen Füßen eine Masse schwarzen Tuches und ein Paar Stiefel. Bevor ich deutlich sehen konnte, in welchem Zustand der Mann dalag, war das Flackern des Lichtes wieder verschwunden. Ich blieb über ihn gebeugt stehen und wartete auf den nächsten Blitz. Als er kam, sah ich, daß es ein kräftiger Mann war, einfach, aber nicht schäbig gekleidet; sein Kopf war unter seinem Körper verborgen, und er lag zusammen gekrümmt hart am Geländer, als wäre er heftig gegen den Zaun geschleudert worden.
Den Widerwillen überwindend, der bei einem Menschen, welcher noch nie zuvor einen toten Körper berührt hat, natürlich ist, bückte ich mich nieder und kehrte ihn um, nach seinem Herzen fühlend. Er war tot. Offenbar war sein Genick gebrochen. Ein dritter Blitz zuckte, und das Gesicht des Mannes leuchtete auf. Ich sprang auf meine Füße. Es war der Wirt des "Gefleckten Hundes", dessen Wagen ich gemietet hatte.
Ich stieg behutsam über ihn und eilte den Hügel weiter hinauf. Ich nahm meinen Weg an der Polizeiwache und dem "College-Wappen" vorbei zu meinem Haus. Nichts brannte auf der Hügelseite, aber auf der Weide sah man einen roten Schein, und ein wilder Qualm rotgelben Rauches kämpfte mit dem niederströmenden Hagel. Soweit ich es beim Licht der Blitze unterscheiden konnte, waren die Häuser in meiner Umgebung meist unversehrt. Vor dem Gasthaus lag eine dunkle Masse auf der Straße.
Von der Straße, abwärts gegen die Maybury Bridge zu, hörte ich Stimmen und das Geräusch von Füßen. Aber ich hatte nicht den Mut zu rufen oder hinzugehen. Ich öffnete die Tür mit meinem Hausschlüssel, trat ein, verschloß und verriegelte das Tor, stolperte bis zum Fuß der Treppe und setzte mich nieder. Meine Einbildungskraft war erfüllt von jenen sausenden metallischen Ungetümen und von dem toten Körper, der gegen das Geländer geschleudert war. Ich verkroch mich am Fuß der Treppe, den Rücken an der Mauer, und zitterte heftig.
11. Am Fenster
Ich habe bereits erwähnt, daß meine Erregungszustände sich irgendwie von selbst erschöpfen. Nach einiger Zeit entdeckte ich, daß ich kalt und naß war, und ich bemerkte einige kleine Wasserpfützen, die sich auf dem Treppenläufer gebildet hatten. Ich stand fast mechanisch auf, ging ins Speisezimmer und trank etwas Whisky. Dann trieb mich etwas, meine Kleider zu wechseln. Nachdem ich es getan hatte, ging ich die Treppe hinauf in mein Studierzimmer; warum, weiß ich nicht. Das Fenster meines Studierzimmers blickte über die Bäume und die Eisenbahn hinweg auf die
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