Planlos ins Glueck
1. KAPITEL
J ane Morgan starrte den Mann an, der ihr am Tisch gegenübersaß. Die Mittagsgäste im angesagtesten Restaurant von Aspen waren ein ziemlich ruhiger Haufen. Hier gab es nichts, was Jane von Greg Nunn hätte ablenken können.
Sie beobachtete, wie sein Kiefer sich beim Kauen bewegte, genauso wie bei jedem anderen Menschen auch. Es war ja nicht so, dass er schlechte Manieren gehabt hätte! Keine Essensreste, die ihm am Kinn klebten, keine Bröckchen, die ihm aus dem Mund fielen. Er aß einfach ganz normal, wie jeder Erwachsene, der ein bisschen Erziehung genossen hatte. Also warum in Gottes Namen empfand sie diesen Anflug von Übelkeit, als Greg schluckte und sich den Mund abwischte?
„Alles in Ordnung mit deinem Steak?“, fragte er. „Wirklich durch sieht es nicht aus.“
„Nein, nein, alles gut“, versicherte Jane und zwang sich, noch ein Stück Fleisch abzuschneiden und sich in den Mund zu schieben.
„Ich hab dir ja gesagt, du solltest lieber die Garnelen nehmen.“
Jane kaute tapfer und verkniff sich ein genervtes Stöhnen. In Wahrheit hatte er angemerkt, dass Garnelen besonders fettarm seien. Als hätte Jane es nötig abzunehmen. Das war eine neue Entwicklung. Vielleicht hatte Greg die Anspannung zwischen ihnen ja auch bemerkt.
Greg wandte seine Aufmerksamkeit wieder seinem Teller zu. Voll Grauen beobachtete Jane, wie ein weiterer Happen Lachs zwischen seinen mahlenden Kiefern verschwand. Sie senkte den Blick und würgte ihren Bissen Steak herunter.
Sie waren jetzt seit vier Monaten zusammen, schliefen aber erst seit ein paar Wochen miteinander. In Aspen war es gar nicht so leicht, einen geeigneten Beziehungskandidaten zu finden. Deswegen ließ Jane es in dieser Hinsicht lieber langsam angehen. Jetzt wünschte sie sich, sie hätte lieber noch ein bisschen länger gewartet.
Ehe sie miteinander geschlafen hatten, war Greg der perfekte Freund gewesen. Klug, aufmerksam und hin und wieder sogar richtig witzig … Er hatte es sogar geschafft, genau die richtige Mischung aus Geduld und Verzweiflung an den Tag zu legen, als er so lange darauf hatte warten müssen, mit ihr ins Bett zu dürfen. Doch jetzt, wo er mit ihr ins Bett durfte, wurde er von Tag zu Tag besitzergreifender. Schlief fast jede Nacht bei ihr. Bestand darauf, dass sie jede einzelne Dinnerparty besuchte, die sein aufmerksamkeitsbedürftiger Chef veranstaltete. Und nun bildete er sich offenbar auch noch ein, dass er Einfluss auf die Wahl ihres Mittagessens hatte. Jane kam es so vor, als würden die Wände sich auf sie zubewegen.
Natürlich war das albern. Sie träumte von einer Zukunft mit einem klugen, ambitionierten, erfolgreichen Mann, und Greg raste gerade auf der Überholspur in Richtung Ernennung zum Bezirksstaatsanwalt. Aber selbst seine vielversprechende Karriere ließ Jane leider nicht die Tatsache vergessen, dass er sich im Bett aufführte wie ein epileptisches Karnickel.
Greg trank einen Schluck Wasser. Jane quittierte das Geräusch, das er dabei machte, mit einem Stirnrunzeln. Wie kam ein Mann mit einem solchen IQ nur darauf, dass Frauen eine Vorliebe für hastigen, oberflächlichen Rammelsex hatten?
Sie hatte ja versucht, sich nicht daran festzubeißen. Wirklich! Schließlich konnte man einen Mann nicht alleine nach der Tiefe seiner Stöße beurteilen. Greg war attraktiv, gebildet und nur ein kleines bisschen eitel. Er liebte seine Arbeit und war gut in dem, was er tat. Und eines Tages würde er ein toller Vater werden. Greg Nunn war genau die Art Mann, die Jane brauchte. Jede andere Frau hätte ihn rund um die Uhr mit Argusaugen bewacht, damit er ihr bloß nicht wieder abhandenkam. Und noch vor ein paar Monaten hätte Jane es genauso gemacht.
Aber seit einer Woche musste sie jedes Mal, wenn sie ihn sah, daran denken, wie er immer geistesabwesend seine Fingernägel gegeneinanderklackern ließ, wenn er nachdachte. Oder an seine Eigenart, beim Autofahren vor sich hin zu summen. Keine richtigenLieder, sondern einfach nur lange, monotone Seufzer. Und jetzt auch noch diese Kauerei.
Bei der bloßen Vorstellung, dass er sie später, wenn sie bei ihm zu Hause zu Abend aßen, mit diesen Lippen berühren würde … die bloße Vorstellung, dass sie Sex haben könnten …
Jane schauderte und legte ihre Gabel weg. „Greg, ich befürchte, das hier funktioniert einfach nicht“, sagte sie ohne Umschweife.
Er pickte die Paprikastreifen aus seinem gebratenen Gemüse und schob sie mit der Gabel an den Tellerrand.
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