Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Krieg der Welten

Der Krieg der Welten

Titel: Der Krieg der Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. G. Wells
Vom Netzwerk:
verschwand auch dieser, und mir war, als hätte ein schwacher Schrei mich erreicht.
    Ich hatte einen Augenblick den Impuls, zurückzugehen und ihm zu helfen. Aber meine Furcht behielt die Oberhand. Jetzt war nichts mehr zu sehen, da alles von der tiefen Grube und den Sandhaufen, die der Zylinder beim Aufprall gebildet hatte, verdeckt war. Wer jetzt die Straße entlang von Chobham oder Woking gekommen wäre, den hätte das Schauspiel, das sich ihm bot, in Erstaunen gesetzt: eine verstreute Menge von etwa hundert oder mehr Leuten, in einem großen unregelmäßigen Kreis in Mulden, hinter Büschen, hinter Zäunen und Hecken stehend, kaum zueinander redend, und dann nur in kurzen erregten Rufen, und unablässig auf einige Sandhaufen starrend. Der Karren mit dem Ingwerbier, ein seltsames Überbleibsel, stach schwarz von dem glühenden Abendhimmel ab Bei den Sandgruben stand eine Reihe verlassener Fuhrwerke, deren Pferde aus Hafersäcken fraßen oder ungeduldig den Boden aufscharrten.
     

5. Der Hitzestrahl
     
    Nach dem Blick auf die Marsleute, wie sie aus dem Zylinder, in dem sie von ihrem Planeten auf die Erde gekommen waren, hervorkrochen, war ich wie von einem Zauber gelähmt. Ich verharrte knietief im Heidekraut und starrte auf die Sandhügel, die sie verbargen. In mir tobte ein Kampf zwischen Angst und Neugierde.
    Ich wagte nicht, zur Grube zurückzugehen; aber ich wünschte leidenschaftlich, einen Blick hineinzuwerfen. Ich begann daher in einem weiten Bogen herumzugehen, um einen geeigneten Aussichtspunkt zu finden, dabei aber behielt ich fortwährend die Sandhaufen im Auge, die jene merkwürdigen Ankömmlinge auf unserer Erde meinen Blicken entzogen. Auf einmal zuckte ein Gewirr dünner schwarzer Peitschen, wie Arme eines Polypen, vor dem Sonnenuntergang auf, um sofort wieder zu verschwinden. Dann kam schubweise ein dünner Stab hoch, an seiner Spitze eine kreisrunde Scheibe, die sich in schwerfälliger Bewegung drehte. Was konnte dort vorgehen? Die meisten Zuschauer hatten sich in zwei Gruppen gesammelt - ein kleiner Menschenhaufen stand gegen Woking zu und ein Knäuel von Leuten in der Richtung nach Chobham. Offenbar waren die Leute in demselben seelischen Zwiespalt wie ich. Nur wenige waren ganz in meiner Nähe. In einem Mann erkannte ich einen meiner Nachbarn, obwohl ich seinen Namen nicht wußte. Ich trat auf ihn zu und redete ihn an. Es war aber kaum ein günstiger Augenblick für eine vernünftige Unterhaltung. "Was für scheußliche Tiere!" sagte er. "Herrgott! was für scheußliche Tiere!" Er wiederholte das immer wieder.
    "Haben Sie einen Menschen in der Grube gesehen?" fragte ich ihn; aber er gab mir keine Antwort. Wir schwiegen und standen eine Zeitlang beobachtend nebeneinander und empfingen, glaube ich, einen gewissen Trost aus unserer Gesellschaft. Dann verlegte ich meinen Aussichtspunkt auf einen kleinen, etwas höheren Erdhügel. Als ich mich nach meinem Nachbarn umwandte, sah ich ihn schon nach Woking zurückkehren.
    Der Sonnenuntergang verblich allmählich zum Zwielicht, und noch ereignete sich nichts. Die Menge in der Ferne links gegen Woking schien zu wachsen, und ich vernahm ein schwaches Gemurmel. Der kleine Menschenknäuel vor Chobham zerstreute sich. Bei der Grube war kaum ein Anzeichen einer Bewegung wahrzunehmen.
    Mehr als alles andere gab das den Leuten ihren Mut zurück. Und ich denke, daß auch die Neuankömmlinge aus Woking dazu beitrugen, wieder eine zuversichtlichere Stimmung zu wecken. Jedenfalls machte sich, als die Dunkelheit hereinbrach, eine langsame, bisweilen unterbrochene Bewegung auf den Sandhaufen zu bemerkbar, die um so mehr an Kraft zu gewinnen schien, als die Stille des Abends rings um den Zylinder ungebrochen blieb. Aufrechte schwarze Gestalten in Zweier- und Dreiergruppen wagten sich vor, machten halt, spähten vorsichtig aus und schoben sich wieder vor. In einem sehr gelichteten, unregelmäßigen Halbkreis suchten die Leute den Krater zu umzingeln. Auch ich begann langsam darauf zuzugehen.
    Dann sah ich, wie einige Fuhrleute und andere sich keck in die Sandgruben vorwagten. Ich hörte das Klappern der Hufe und das Knirschen der Räder. Ich sah, wie ein junger Bursche den Karren mit Äpfeln fortzog. Und dann bemerkte ich etwa dreißig Yards von der Grube, aus der Richtung von Horsell kommend, eine kleine schwarze Gruppe von Männern, deren vorderster eine weiße Fahne schwang.
    Das war die Deputation. Es hatte eine hastige Beratung stattgefunden; und da die

Weitere Kostenlose Bücher