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Der krumme Hund

Der krumme Hund

Titel: Der krumme Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roald Dahl
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Messer zu schaffen.
    Bert hatte ein schadhaftes Auge. Es war hellgrau überzogen, wie ein gekochtes Fischauge, und obwohl es sich in seiner Höhle nicht bewegte, schien es einen immer anzusehen und zu verfolgen, wie die Augen der Leute auf gewissen Bildern im Museum. Einerlei, wo man stand und wo Bert hinschaute, immer war da dieses schadhafte Auge von der Seite her starr auf einen gerichtet, hellgrau überzogen, mit einem schwarzen Punkt in der Mitte, dem Auge eines Fisches auf der Schüssel vergleichbar.
    Im Gegensatz zu seinem Vater, der kurz und untersetzt war wie ein Frosch, war Bert ein langer, markloser Schlaks, an dem alles schlenkerte, selbst der Kopf, der zur Seite fiel, als wäre er zu schwer für den Hals.
    «Den Heustock habt ihr erst letzten Juni gemacht», sagte ich zu ihm. «Warum muß der schon weg?»
    «Vater will es so.»
    «Komisch, einen neuen Heustock im November abzubauen.»
    «Vater will es so», wiederholte Bert und schaute mit beiden Augen, dem gesunden und dem ändern, stumpf und ausdruckslos auf mich herab.
    «All die Arbeit, das Heu aufzuschichten und mit Stroh zu decken, nur um es fünf Monate später wieder abzureißen.»
    «Vater will es so haben.»
    Dauernd fuhr er sich mit dem Handrücken unter der triefenden Nase durch und wischte ihn dann an den Hosen ab.
    «Bert, an die Arbeit», rief Rummins, und der Junge kletterte auf den Heustock, dort wo das Deckstroh entfernt worden war. Mit dem langen Messer begann er in das dicht gestapelte Heu hineinzusägen, wobei er den Griff mit beiden Händen hielt und den Körper hin und her bewegte. Man hörte, wie die Klinge sich knirschend in das dürre Heu hineinfraß; das Geräusch wurde leiser, je tiefer das Messer drang.
    «Claud will ein paar von den Ratten abknallen, wenn sie herauskommen.»
    Sogleich hörten der Bauer und sein Junge auf zu arbeiten und schauten zu Claud hinüber, der sich, das Gewehr in der Hand, an die rote Tanksäule lehnte.

    «Sagen Sie ihm, er soll die verdammte Flinte wegtun», rief Rummins.
    «Er schießt gut. Sie können ganz ruhig sein.»
    «Niemand schießt in meiner Nähe auf Ratten, ganz gleich, wie gut er schießt.»
    «Sie werden ihn kränken.»
    «Sagen Sie ihm, er soll es wegtun», rief Rummins beharrlich. «Gegen Hunde oder Knüppel habe ich nichts, aber Flinten, verdammt noch mal, nein.»
    Die beiden auf dem Heustock schauten zu, während Claud tat, wie er geheißen worden war; dann machten sie sich wieder an die Arbeit. Bald darauf stieg Bert wieder aufs Fuhrwerk herunter, streckte beide Arme aus und holte einen Ballen festgepreßtes Heu vom Stock herunter, so daß es säuberlich neben ihn auf den Wagen fiel.
    Eine grauschwarze Ratte mit langem Schwanz kam unten zum Stock heraus und verschwand in der Hecke.
    «Eine Ratte», bemerkte ich.
    «Schlagen Sie sie tot», sagte Rummins. «Holen Sie doch einen Knüppel und schlagen Sie sie tot.»
    Die Ratten waren mittlerweile aufgescheucht und kamen rascher hinaus, eine oder zwei jede Minute, fette, lange Tiere, die dicht am Boden durchs Gras davonwuselten. Wenn der Gaul eine davon sah, zuckte er mit den Ohren und verfolgte sie mit ängstlichem Blick.

    Bert war wieder auf den Heustock gestiegen und schnitt einen weiteren Ballen heraus, während ich ihm dabei zuschaute. Plötzlich sah ich ihn innehalten; er zauderte einen Augenblick und fing dann wieder an zu schneiden, doch diesmal sehr vorsichtig; auch tönte es jetzt ganz anders; es gab ein knirschendes Geräusch, als sei die Klinge auf etwas Festes gestoßen.
    Bert zog das Messer heraus und prüfte die Schneide mit dem Daumen. Dann senkte er sie behutsam wieder in den Schnitt hinab, wobei er sich sachte vortastete, bis das Messer wieder auf den harten Gegenstand stieß. Und abermals, als er weitersägte, war dieses knirschende Geräusch zu hören.
    Rummins wandte den Kopf und schaute über die Schulter nach dem Jungen. Er war gerade dabei, einen Armvoll Deckstroh aufzuheben, wobei er sich bückte und mit beiden Händen zufaßte, doch hielt er mitten-drin inne und schaute nach Bert. Dieser stand reglos da, die Hände am Messergriff, völlig verdutzt. Scharf und schwarz, wie gestochen, hoben sich die beiden Gestalten vom hellgrauen Hintergrund ab.
    Dann hörte man Rummins, der lauter als gewöhnlich und mit unverkennbarer Besorgnis, die durch die Lautstärke nicht übertönt wurde, die Bemerkung machte: «Diese Heuer, was die heute alles auf einen Heustock laden!»
    Wiederum entstand eine Stille; die beiden

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