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Der Kuss der Göttin (German Edition)

Der Kuss der Göttin (German Edition)

Titel: Der Kuss der Göttin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aprilynne Pike
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gesehen.«
    »Nein!«, sagt Benson, beugt sich zu mir vor, und sein Arm hinter meinem Rücken spannt sich. »Er hat versucht, dich um zwei Uhr morgens aus dem Haus zu locken !«
    Ich weiß, es stimmt, und ich weiß, ich sollte genauso viel Angst haben wie Benson. Aber irgendwie … habe ich einfach keine. »Er ist kein grusliger alter Mann. Er ist eher so alt wie wir. Zumindest ungefähr.«
    »Das ist natürlich ein Argument!«, sagt Benson, aber sein Ton ist ausdruckslos. »Denn im Regelbuch steht ja, dass alle gefährlichen Stalker alt und hässlich sind.«
    »So habe ich das nicht gemeint. Ich habe nicht das Gefühl , Angst haben zu müssen. Vielleicht ist › Stalker ‹ nicht das richtige Wort.« Ich massiere mir die Schläfen und sammle meine Gedanken, versuche herauszufinden, was dann das richtige Wort ist. »Ich glaube nicht, dass er mir etwas tun wollte. Es ist eher so … als wollte er mir etwas sagen .«
    »So was wie › Steig in mein Auto, bevor ich dir das Hirn wegpuste ‹ ?«
    »Benson!«
    Benson spürt, dass er einen Schritt zu weit gegangen ist, und schweigt eine Weile. Dann versucht er es mit einer Entschuldigung: »Es tut mir leid. Ich weiß, du bist nicht dumm, und ich will dich auch nicht so behandeln. Ich will nur … Ich will nur nicht erleben müssen, dass dir wirklich etwas passiert, weil deine Instinkte vielleicht … ausgesetzt haben.«
    Er muss sich nicht mit dem Finger an die Schläfe tippen, damit ich verstehe, was er meint. Viele meiner Reaktionen sind immer noch ein bisschen unkonventionell. Vielleicht ist es das. Dieser überwältigende Drang, einem fremden Typen nahe zu sein – mit ihm zu sprechen, schweigend nebeneinanderzusitzen, einfach zu zweit zu sein –, das ist ein lächerliches Gefühl, ein furchtbarer Instinkt, und ich weiß es. Aber mir das zu sagen und das Gefühl abzustellen, sind zwei völlig verschiedene Dinge.
    Die Atmosphäre wird ein bisschen angespannt, und um meine Ängstlichkeit zu überspielen, neige ich mich von Benson weg und fange wieder an, in meinem Rucksack zu wühlen.
    »Was suchst du?«
    »Meinen Labello«, murmle ich. Die kalte Luft hier ist überraschend schlecht für meine Lippen. Die Winter waren in Michigan ziemlich streng, aber Reese sagt, hier lässt das Salz aus dem Meer meine Haut austrocknen. Deshalb habe ich jetzt immer einen Labello dabei.
    Außer wenn ich ihn verlege.
    Was regelmäßig vorkommt.
    »Schau in deiner Tasche nach«, sagt Benson mit entschuldigender Wärme in der Stimme. »Er ist immer in deiner Tasche, wenn du ihn nicht findest.«
    Mit einem stillen Wunsch ans Universum greife ich in meine Tasche und atme erleichtert auf, als meine Hand sich um die vertraute Röhre schließt. »Du bist ein Genie.«
    »Und du bist ein Junkie«, kontert er.
    »Ich sage dir«, ich halte inne, um meine Lippen aufeinanderzureiben, »in fünf Minuten muss ich das schon wieder tun. Ich glaube, ich bin immun geworden.«
    »Ich glaube, du hast ein ernstes Problem, Tave. Du musst zur Therapie.«
    »Du bist so ein Spinner!«, sage ich und wende mich wieder meinen Hausaufgaben zu.
    »Nein, ernsthaft«, sagt Benson. »Es ist fast drei Uhr. Du musst zur Physiotherapie.«
    Ich zögere. Angesichts der letzten Ereignisse erscheint mir zur Physiotherapie zu gehen so unbedeutend. So unwichtig.
    Als könne er meine Gedanken lesen, drückt Benson meine Hände und sagt leise: »Lass mich eine Weile darüber nachdenken. Es ist ein bisschen viel auf einmal. Geh du zu deinem Termin und schreib mir später, okay?«
    Ich bringe ein Lächeln zustande, sage: »Okay« und fühle mich ein bisschen besser. Ich ziehe meine Jacke an und aus einem spielerischen Impuls heraus umfasse ich Bensons Gesicht und drücke ihm einen Labellokuss auf die Wange.
    Sobald meine Lippen mit seiner Haut in Berührung kommen, versteift er sich, sein Griff um meine Arme wird starr, und ich frage mich, ob ich einen Fehler gemacht habe.
    Doch dann wischt er sich die Wange ab, ohne mich anzusehen, und ich bin mir nicht ganz sicher, ob es überhaupt passiert ist. »Tavia!«, protestiert er. »Eklig!«
    »Wir sehen uns morgen«, sage ich und winke ihm zu.
    »Junkie«, zischt Benson noch einmal, gerade als ich den Ausgang erreiche.

K apitel 5

    D er Weg von der Bibliothek zur Physiotherapie führt mich über die Park Street durch einen alten Teil der Stadt. Diese Gegend ist eine illustre Mischung aus Alt und Neu: eine Tankstelle, eine alte Brauerei, ein berühmtes Haus, das jetzt ein historisches

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