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Der Kuß der Schlange

Der Kuß der Schlange

Titel: Der Kuß der Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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sie das Haus für den Besuch der alten Mrs. Hathall so perfekt hergerichtet hatte?«
    »Dann stammte also der Handabdruck mit der L-förmigen Narbe von ihr?«
    »Natürlich.« Wexford trank seinen Whisky sehr langsam, um lange etwas davon zu haben. »Die Abdrücke, die wir für die ihren hielten, waren Morags. Die Haare in der Bürste, die wir für ihre hielten, waren Morags. Sie muß dem toten Mädchen das Haar gebürstet haben – gräßlich, was? Die dickeren, dunklen Haare dagegen waren Angelas. Den Wagen brauchte sie nicht erst in der Garage oder in Wood Green sauberzumachen. Sie konnte ihn zu jeder beliebigen Zeit in der Woche davor saubergemacht haben.«
    »Aber warum ließ sie diesen einen Abdruck zurück?«
    »Ich glaube, ich kann mir das vorstellen: An dem Tag, an dem Morag stirbt, steht Angela morgens früh auf, um mit dem Hausputz weiterzumachen. Sie putzt das Badezimmer, hat vielleicht gerade die Gummihandschuhe abgelegt, um die anderen zum Polieren des Bodens überzuziehen, da klingelt das Telefon. Mrs. Lake ruft an und fragt, ob sie rüberkommen kann, um die Mirakelpflaumen zu pflücken. Und Angela, verständlicherweise nervös, stützt sich mit der nackten Hand an der Seite der Badewanne ab, als sie aufsteht, um ans Telefon zu gehen.
    Morag Grey sprach gälisch und konnte es sicherlich auch lesen. Das muß Hathall gewußt haben. Also beschaffte sich Angela ihre Adresse – sie hatten sie wahrscheinlich schon länger im Auge – und schrieb ihr, oder rief sie an, was wahrscheinlicher ist, um sie zu fragen, ob sie ihr bei einer Studie über keltische Sprachen assistieren könne. Morag, eine Hausangestellte, konnte sich dadurch nur geschmeichelt fühlen. Und arm war sie auch, sie brauchte Geld. Dies, glaube ich, war der gute Job, den sie einer Nachbarin gegenüber erwähnt hatte, und um diese Zeit gab sie auch ihre Putzarbeit auf und ging auf Sozialunterstützung, bis Angela soweit war, daß sie mit ihr anfangen konnte.«
    »Aber kannte sie Angela denn nicht?«
    »Wieso sollte sie? Angela hatte ihr wahrscheinlich einen falschen Namen genannt, und ich wüßte nicht, aus welchem Grund sie Hathalls Adresse gekannt haben sollte. Am neunzehnten September fuhr Angela in die Altstadt von Myringham hinüber, holte sie ab und fuhr mit ihr nach Bury Cottage zu einer Besprechung über ihre zukünftige, gemeinsame Arbeit. Sie führte Morag nach oben, damit sie sich die Hände waschen oder auf die Toilette gehen oder sich das Haar kämmen konnte. Und dort strangulierte sie sie, Howard, mit ihrem eigenen, goldenen Schlangenhalsband.
    Danach war es dann ganz einfach: Morag das rote Hemd und die Jeans anziehen, ein paar bewegliche Gegenstände mit ihren Fingerabdrücken versehen, ihr Haar bürsten. Handschuhe an, mit dem Wagen den Hohlweg runter, und ab nach London. Ein oder zwei Nächte im Hotel, bis sie ein Zimmer gefunden hatte, wo sie die Zeit abwartete, bis Hathall nachkommen konnte.«
    »Aber warum, Reg? Warum sie umbringen?«
    »Weil sie eine ehrliche Frau war und weil sie rausgekriegt hatte, was Hathall machte. Sie war nicht dumm, Howard, sie gehörte eher zu den Leuten, die zwar Fähigkeiten, aber zu wenig Antrieb haben. Sowohl ihr früherer Arbeitgeber als auch ihre Mutter haben doch bestätigt, daß die Arbeit, die sie verrichtete, unter ihrem Niveau lag. Ihr charakterschwacher Ehemann habe sie heruntergezogen. Wer weiß? Vielleicht hätte sie die Fähigkeit gehabt, einem echten Etymologen Hilfestellung im Gälischen zu leisten, und vielleicht dachte sie, dies sei jetzt, da sie Grey los war, ihre Chance, etwas aus ihrem Leben zu machen. Angela Hathall ist, wenn man es richtig bedenkt, wirklich eine sehr gute Psychologin.«
    »Das verstehe ich schon alles«, sagte Howard, »aber wie hat Morag den Betrug mit der Lohnliste rausgekriegt?«
    »Das«, bekannte Wexford freimütig, »weiß ich auch nicht – noch nicht. Ich könnte mir das so vorstellen: Hathall ist vielleicht eines Abends länger geblieben, während sie dort schon saubermachte, und dabei hat sie womöglich ein Telefongespräch mit angehört, das er mit Angela über die Sache führte. Vielleicht hatte Angela ihm eine falsche Adresse vorgeschlagen, und er rief sie an, um zu fragen, ob er sie richtig mitbekommen hatte, ehe er sie in den Computer einspeiste. Vergiß nicht, daß Angela die Triebfeder bei der ganzen Geschichte war. Du hattest vollkommen recht mit deiner Vermutung, sie habe ihn beeinflußt und korrumpiert. Und Hathall ist doch genau der

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