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Der Kuss des Anubis

Titel: Der Kuss des Anubis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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der Kerl misstrauisch wurde und merkte, dass sie ihn verfolgte? Und wenn schon - sie konnte jetzt nicht einfach aufgeben. Nicht nachdem sie ihm bis hierher gefolgt war!
    Doch Mius Befürchtungen erwiesen sich als grundlos. Kein einziges Mal drehte er sich nach ihr um, sondern starrte nach vorn, auf die grünliche Wasserfläche, die tief genug stand, um zahllose Sandbänke freizugeben, auf denen sich Krokodile in der Sonne räkelten.
    Kaum drüben angekommen, sprang er ans Ufer und rannte los, als wäre ihm ein Rudel bissiger Hunde auf den Fersen. Miu ihm nach. Und plötzlich fiel es ihr wie Schuppen vor den Augen: Sein Ziel war der Palast der leuchtenden Sonne , die Sommerresidenz des Pharaos, ebenfalls auf dem
Westufer gelegen, ein riesiges Areal mit zahllosen älteren und neu errichteten Gebäudeteilen, das einen eigenen Hafen besaß sowie einen Park, von dessen legendärer Schönheit ganz Waset* munkelte. Allerdings war es nur wenigen vergönnt, ihn mit eigenen Augen zu betrachten, denn die seltenen Bäume und exotischen Pflanzen, die dort unter sorgfältiger Obhut gediehen, waren allein für die Augen des Königs, seiner Großen Königlichen Gemahlin sowie des Hofstaats bestimmt.
    Natürlich gab es eine vielköpfige Dienerschaft, die alles zu bewirtschaften und instand zu halten hatte, und zu jener musste der Warzenkerl gehören, denn er lief zielstrebig zu einer der Nebenpforten, die auf sein Klopfen hin geöffnet wurde.
    Wie von Zauberhand war er dahinter verschwunden.
    Miu blieb noch eine Weile schwer atmend stehen und spürte den Schweiß, der ihr in Bächen über den Rücken lief, ebenso wie die Wunde in der Sohle, die sie während der Verfolgung vergessen hatte. Wie schön wäre es, jetzt in dem kleinen Lotosteich zu baden, der das Herzstück ihres Gartens bildete! Doch von dieser Erfrischung trennte sie im Augenblick nicht nur das grüne Band des Flusses, sondern vor allem die schwere Last, die ihr auf dem Herzen lag.
    Sie würde so gerne mit jemandem darüber reden können.
    Papa kam nicht infrage. Sein Lieblingsmotto lautete: Ein kluger Mann verschließt die Augen vor Dingen, die ihn nichts angehen, und kümmert sich stattdessen um sein Geschäft und seine Familie.
    Dann lieber doch zurück zu Tante Taheb?

    Die Vorstellung, dort Nefer, ihrem Mann, zu begegnen, hielt Miu davon ab. Früher hatte sie es genossen, in seiner Gegenwart Schreiben und Lesen zu üben. In letzter Zeit aber mied sie nach Möglichkeit seine verdrossene Miene, und auch Nefer schien alles andere als erpicht auf ihre Anwesenheit, als würden sie sich in stillschweigender Übereinkunft aus dem Weg gehen.
    Und Iset?
    Die einstige Herzensfreundin hatte Miu viel zu lange vernachlässigt - auch wenn es auf strikte Anordnung ihres Vaters hin geschehen war -, um plötzlich mit einer Räubergeschichte wieder bei ihr aufzutauchen.
    Es machte keinen Sinn, sich unter der stechenden Sonne weiterhin den Kopf zu zerbrechen. Erfrischt und ausgeruht würde ihr vielleicht eher etwas einfallen. Energisch zog Miu los, zur Fähre, die gerade wieder am Ablegen war, sprang mit einem Satz auf die Planken und versuchte beim gleichmäßigen Schlag der Ruder, so etwas wie Ordnung in ihre wirren Gedanken zu bringen.
    Auf einmal war ihr, als höre sie Mamas ruhige Stimme.
    »Wasser ist nachgiebig und es fließt. Du fühlst keinerlei Widerstand, wenn du hineintauchst, und es wird dich nicht aufhalten. Und dennoch geht es stets dorthin, wo es will, denn am Ende kann ihm nichts und niemand widerstehen …«
    Miu vermisste sie so schrecklich. Und schon den ganzen Vormittag hatte sie den Albtraum von letzter Nacht erfolgreich weggeschoben, doch jetzt überfiel er sie erneut mit aller Macht, jener schreckliche Albtraum, der sie schon seit Jahren verfolgte und stets verstört und nass geschwitzt aufwachen ließ.

    Die winzige, dunkle Kammer, in der sie schon viel zu lange eingesperrt ist. Das Johlen und Grölen der Menschen draußen, das immer lauter ansteigt, bis sie Angst bekommt, ihre Ohren könnten platzen. Die Tür, die plötzlich aufspringt und Licht hereinströmen lässt, grelles, hartes Licht, das in den Augen schmerzt. Die große Hand, die sie am Arm packt und hinauszerrt.
    »Das musst du sehen, Kleines, mach schon, so etwas darfst du keinesfalls verpassen …«
     
    Miu wurde speiübel, wie bislang jedes Mal, wenn diese Bilder sie quälten. Sie hielt den Kopf so ruhig wie möglich und versuchte, die bösen Gedanken zu verscheuchen.
    »Du wirst mir doch nicht

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