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Der Kuss des Anubis

Titel: Der Kuss des Anubis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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etwa seekrank?« Ein Mann stand auf einmal neben ihr. »Dabei könnte der Fluss gemächlicher gar nicht sein!« Sein mächtiger Bauch wabbelte beim Reden über dem Lendenschurz, den eine breite Borte zierte. Er schwitzte erbärmlich.
    Offenbar hielt er Miu für leichte Beute. Sogar ihr ärgerliches Kopfschütteln schien er misszuverstehen.
    »Brauchst doch nicht schüchtern sein.« Ein schmieriges Lächeln. Und näher kam er auch noch! »So ein hübsches, junges Ding wie du! Wenn du magst, kann ich dich gern ein bisschen ablenken. Würde dir das keinen Spaß machen?«
    Wie konnte so ein widerlicher Kerl denken, dass er in irgendeiner Weise anziehend auf ein junges Mädchen wirkte?
    Miu tat das, was Raia ihr für solche Fälle beigebracht hatte, machte Sichelaugen und setzte ihre arroganteste Miene auf. Es schien zu wirken, trotz der Übelkeit, gegen die sie noch immer zu kämpfen hatte. Er murmelte Undefinierbares
und zog sich auf die andere Seite der Fähre zurück.
    Der kleine Sieg tat gut, und als sie am Ostufer anlegten, ging auch ihr Atem wieder ruhiger, wenngleich Miu plötzlich spürte, wie müde sie war. Steifbeinig wie ein alter Esel schlich sie durch die Straßen, die sich nur allmählich wieder mit Menschen und Karren füllten, weil jeder, der jetzt nicht unbedingt draußen sein musste, bis zu den Abendstunden die Hitze mied.
    Erst als die weiße Mauer in Sicht kam, die ihr Haus umgab, atmete sie auf. Viel Zeit dafür blieb allerdings nicht, denn auf der Schwelle hatte sich Anuket aufgebaut, das dunkle Gesicht in besorgte Falten gelegt. Die alte Dienerin war schon so lange im Haus, dass sie dem Mädchen manchmal wie ein vertrautes Möbelstück vorkam.
    »Wie siehst du denn schon wieder aus!«, rief sie voller Empörung und versperrte Miu mit ihrer schmächtigen Gestalt den Eingang. »Blutverschmiert und schmutzig wie aus der Gosse!«
    »Ist Großmama da?« Am liebsten hätte sie Anuket einfach weggeschubst.
    »Nein, aber …«
    »Wann kommt sie wieder?«, unterbrach Miu die Dienerin.
    »Woher soll ich das wissen? Ich bin doch wie immer die Letzte, die in diesem Haus etwas erfährt!«
    »Mutemwija«, dröhnte es hinter ihr. Es gab nur einen, der sie so nannte, und auch nur, wenn er besonders wütend war - Papa! Die steile Falte zwischen den Brauen verriet seinen Gemütszustand ebenso wie die gefährlich schmal gewordenen Lippen. »Wie oft hab ich dir schon gesagt,
dass du besser auf dich achten musst. Wir sind schließlich nicht irgendjemand! Wann nur wirst du das endlich lernen?«
    Wieso war er überhaupt zu Hause - mitten am Tag?
    »Was machst du denn hier?«, stammelte Miu.
    »Als ob ich es nicht im Blut gehabt hätte!« Er kam näher, schnüffelte an ihr und verzog dabei das Gesicht. »Du stinkst ja schlimmer als ein ganzer Trupp Soldaten nach einem strengen Fußmarsch! Ab mit dir in den Teich, und zwar schnell - und danach will ich ein frisches Kleid an dir sehen. Niemand aus meiner Familie lässt sich so gehen, schon gar nicht meine einzige Tochter!«
    Miu hatte seinen wundesten Punkt getroffen.
    Keiner in Waset achtete mehr auf Ordnung und Sauberkeit als der Balsamierer Ramose; sein unablässiges Bestreben, alles abzuwaschen, was mit seiner Tätigkeit im »Haus der Reinigung« auch nur im Geringsten in Verbindung gebracht werden konnte, grenzte fast schon an Besessenheit. Außerdem liebte er schwere Düfte. Auch jetzt roch er wieder, als hätte er in Moschusöl und Wasserlilienextrakt geradezu gebadet.
    »Ist etwas passiert?«, fragte er. Es war ebenso einfach, Papa zum Poltern zu bringen, wie schier unmöglich, ihn auf Dauer hinters Licht zu führen. Er schien einen sechsten Sinn für alles zu besitzen, was hinter seinem Rücken geschah. Irgendetwas an ihrem Ausdruck hatte ihn wohl auch jetzt misstrauisch gemacht. »Hast du etwas angestellt? Dann heraus damit!«
    Miu musste schlucken und war einen Augenblick lang versucht, seiner Aufforderung zu folgen und ihm alles zu erzählen. Doch dann wäre ja herausgekommen, dass sie
wieder heimlich bei Taheb ausgeholfen hatte, und neuer Streit damit unausweichlich.
    Was genau hätte sie ihm auch erzählen sollen?
    Dass sie aufgrund eines einzigen Satzes, den sie aufgeschnappt hatte, überzeugt sei, das Leben des Königs sei in Gefahr? Sie, ein Mädchen von noch nicht einmal sechzehn Jahren, wollte so etwas Ungeheuerliches herausgefunden haben?
    Stumm schüttelte Miu den Kopf, dann deutete sie auf ihren Fuß.
    »Hab mir wehgetan«, sagte sie und schämte sich

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