DER KUSS DES MAGIERS
„Der Daimonn hat mich verlassen. Ich bin frei. Er ist weg.“
Noch immer war Sina nicht klar, was er meinte.
„Wie weg?“ Unwillkürlich schaute sie sich um. „Wo ist er denn hin?“
Wieder lachte Les auf, verzog dann aber vor Schmerzen das Gesicht. „Zu Lugo. Oh, verflixt, ich darf nicht lachen, das tut weh, aber es ist wirklich zu komisch. Ich wusste nicht genau, was er vorhatte. Und ich habe ihn verflucht, weil er mich so lange daran gehindert hat, einzugreifen. Weil er zuließ, dass Lugo dich …“ Seine Miene verdüsterte sich. „Bist du verletzt?“
„Nein, mir geht’s gut. Erzähl weiter, bitte. Was ist so lustig?“
„Mir ist erst viel zu spät klar geworden, dass er nicht eingegriffen hat, weil er Lugo bewundert hat.“
„Was?“
„Er hätte nicht zugelassen, dass der zukünftigen Mutter des Carion etwas zustößt, aber gleichzeitig war er fasziniert von Lugos … Gewalttätigkeit. Sie brauchen die menschliche Hülle, aber sie sind nicht davon angetan, dass Menschen so viele Skrupel haben. Daimonn sind ziemlich … unzivilisiert. Da die meisten an ihre Blutlinie gebunden sind, können sie sich ihre Wirte nicht aussuchen. Zum Glück. Erst als Lugo ernst gemacht und den Dolch gehoben hat, war der Daimonn endlich bereit, einzuschreiten, um dich zu retten …“
Les schluckte und hob unter Schmerzen die Hand, um ihr das Haar aus dem Gesicht zu streichen und sich zu vergewissern, dass die Klinge wirklich nur einen oberflächlichen Kratzer hinterlassen hatte.
„Ich glaube, er wollte ihm die Kehle rausreißen. Oder das Herz. Aber nachdem du in Sicherheit warst und mein und Lugos Blut sich vermischt haben …“ Les klang verwundert, als könnte er selbst nicht glauben, was er sagte. „Er ist umgezogen . Aber freundlicherweise hat er damit gewartet, bis ich außer Lebensgefahr war, die inneren Organe wiederhergestellt waren und er die Kugeln neutralisiert hatte.“
„Umgezogen.“
„Er hat sich einen Wirt ausgesucht, der besser zu ihm passt. Bei dem er nicht befürchten muss, dass er versucht, das Versprechen einzulösen. Die beiden werden ein sehr glückliches Paar, glaube ich.“
Trotz Les’ guter Stimmung rieselte Sina ein Schauer über den Rücken.
„Werden sie uns in Ruhe lassen?“, flüsterte sie.
„Oh, ich glaube schon. Abgesehen von Wirten sind Menschen ziemlich uninteressant für die Daimonn.“
„Aber … Lugo …“
„Der wird vollauf damit beschäftigt sein, seine neuen Kräfte auszuprobieren.“
„Ich bin immer noch der eigentliche Carion …“
Les schüttelte den Kopf. „Es fühlt sich nicht so an. Spürst du irgendeine Verbindung zu Lugo?“
Allein bei dem Gedanken wurde ihr übel. „Nein. Gestern, vorher … Ich hatte das Gefühl, ganz leer zu sein, nur noch eine Hülle, und dann bin ich ohnmächtig geworden.“
„Er hat seinen Anspruch an dich aufgegeben. Aus seiner Sicht bieten sich ihm mit Lugo viel bessere Möglichkeiten, obwohl Lugo kein Kind ist. Er hat trotzdem den besten Charakter für den Daimonn. Und Lugo ist bestimmt bereit, mit einer Frau ein ganzes Daimonn-Geschlecht zu begründen.“
Sina verzog das Gesicht. „Müssen wir uns deshalb Sorgen machen?“
Lächelnd streichelte Les ihre Wange. „Nein. Im Großen und Ganzen ist ihre Anzahl über die Jahrhunderte gleich geblieben. Sie sind auf Erhaltung ihrer Art aus, nicht auf Vermehrung. Wir sollten versuchen, Lugo nicht über den Weg zu laufen, aber ansonsten vergessen wir ihn einfach.“
„Wir?“, fragte Sina beklommen. Auf welche Art meinte er das? Jeder für sich oder sie beide zusammen? Jetzt, da Les den Daimonn los war, würde sich herausstellen, ob sein Interesse für sie echt war. Vielleicht wollte er seine neue Freiheit ja lieber ohne sie genießen? Schließlich hatte er schon lange genug für sie Opfer gebracht.
„Du und ich?“, fragte er plötzlich ebenfalls unsicher. „Oder willst du mich jetzt nicht mehr, weil ich ein ganz normaler, schätzungsweise Zweiundzwanzigjähriger bin, der sich rein vegetarisch ernährt, sich ständig an Spiegeln den Kopf stößt und mit dem Auto fahren muss, wenn er irgendwohin will?“
„Oh, natürlich will ich dich“, rief Sina überglücklich und gab sich Mühe, ihm nicht noch mehr Schmerzen zu verursachen, während sie ihn vorsichtig umarmte.
„Da bin ich ja froh.“ Les seufzte. „Ich liebe dich nämlich, weißt du. Komischerweise immer schon, aber jetzt noch viel mehr.“
„Und ich liebe dich“, erwiderte sie ernst. Dann fiel ihr
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