Der Kuss des Meeres
fühle«, gebe ich zurück. Ich verschränke die Arme vor der Brust, was schwierig ist, wenn man auf einem Surfbrett sitzt, das im Kielwasser eines vorbeifahrenden Schnellboots hin und her schaukelt. Chloe weiß, dass es mich nervös macht, so weit draußen zu sein, aber mich festzuhalten, wäre ein Zeichen von Schwäche.
» Meinetwegen, weil ich dich liebe. Aber deswegen wirst du dich auch nicht besser fühlen.«
» Das werde ich erst mit Sicherheit wissen, wenn ich es versucht habe.« Ich halte Blickkontakt und richte mich ein wenig auf.
» Na schön. Aber du wirst immer noch wie ein Albino aussehen, wenn du mich wieder rauflässt.« Sie schaukelt das Brett und zwingt mich dazu, mich festzuhalten.
» Nimm deine schnoddrigen Pfoten vom Surfbrett. Und ich bin kein Albino. Nur weiß.« Eigentlich will ich meine Arme wieder verschränken, aber dann würden wir umkippen, und irgendwie ist es doch einfacher, meinen Stolz herunterzuschlucken als den Golf von Mexiko.
» Weißer als die meisten.« Sie grinst. » In meinem Bikini würden die Leute denken, du wärest nackt.« Ich lasse meinen Blick über ihren weißen String-Bikini wandern, der sich wunderschön von ihrer schokoladenbraunen Haut abhebt. Sie ertappt mich dabei und lacht.
» Na ja, vielleicht werde ich hier ja ein bisschen braun«, sage ich errötend. Ich spüre, wie ich einknicke, und ich hasse es. Nur dieses eine Mal will ich weiter wütend auf Chloe sein.
» Du meinst wohl, du holst dir hier einen Sonnenbrand. Apropos, hast du dich eingecremt?«
Ich schüttele den Kopf.
Sie schüttelt ebenfalls den Kopf und schnalzt mit der Zunge wie ihre Mutter. » Dachte ich mir. Wenn du es getan hättest, wärest du von der Brust dieses Jungen abgerutscht und nicht daran festgeklebt.«
» Ich weiß«, stöhne ich.
» Der heißeste Typ, den ich je gesehen habe«, sagt sie und fächelt sich Luft zu, um ihre Worte zu betonen.
» Ja, ich weiß. Ich bin mit ihm zusammengestoßen, erinnerst du dich? Ohne meinen Helm, weißt du noch?«
Sie lacht. » Ich trau mich gar nicht, es dir zu sagen, aber er starrt dich immer noch an. Er und seine total bescheuerte Schwester.«
» Halt. Den. Mund.«
Sie gackert. » Im Ernst, was denkst du, wer von den beiden würde einen Wettbewerb im Starren gewinnen? Ich wollte ihm schon vorschlagen, uns heute Abend in Baytowne zu treffen, aber vielleicht ist er einer von diesen anhänglichen Stalkern. Wirklich zu schade. In Baytowne gibt es eine Million kleiner, dunkler Ecken, in denen ihr zwei knutschen könntet…«
» Omeingott, Chloe, hör auf!«, kichere ich, und zugleich überläuft mich ein Schauer, als ich mir vorstelle, wie ich mit Galen im Village am Kai von Baytowne herumspaziere. Das Village ist ein verschlafenes, kleines Dorf voller Touristenläden mitten in einem Golfresort. Zumindest tagsüber. Aber nachts… dann erwacht die Clubszene und öffnet den sonnenverbrannten Partygästen, die mit ihren Daiquiris über das Kopfsteinpflaster schlendern, ihre Tore. Galen würde unter den funkelnden Lichtern großartig aussehen, selbst wenn er ein Hemd anhätte…
Chloe grinst. » A-ha. Daran hast du wohl auch schon gedacht, was?«
» Nein!«
» Hm-hm. Warum sind deine Wangen dann so rot wie Chilisoße?«
» M-mh!« Ich lache. Sie auch.
» Soll ich ihn fragen, ob er sich mit uns treffen will?«
Ich nicke. » Was denkst du, wie alt er ist?«
Sie zuckt die Achseln. » Nicht so furchtbar alt. Aber alt genug, dass es mit mir illegal wäre. Glück für ihn, dass du gerade achtzehn geworden… was zum… hast du mich gerade getreten?« Sie späht ins Wasser und fährt mit der Hand über die Oberfläche, als wolle sie etwas beiseitewischen, um besser sehen zu können. » Irgendetwas hat mich gerade gestoßen.«
Sie legt die Hände über die Augen, blinzelt und beugt sich so weit vor, dass ihr die nächste ordentliche Welle ans Kinn klatschen könnte. Beinahe hätte mich ihr konzentrierter Gesichtsausdruck überzeugt. Fast. Aber ich bin mit Chloe aufgewachsen– seit der dritten Klasse wohnt sie nebenan. Inzwischen habe ich mich an falsche Gummischlangen auf der Veranda, an Salz in der Zuckerdose und an Klarsichtfolie über dem Toilettensitz gewöhnt– na gut, genau genommen ist Mom diesen Streichen zum Opfer gefallen. Aber wie auch immer, Chloe liebt solchen Unsinn fast so sehr, wie sie das Laufen liebt. Und das hier ist definitiv ein Streich.
» Yep, ich habe dich getreten.« Ich verdrehe die Augen.
» Aber… aber so weit
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