Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kuss des Satyrs

Der Kuss des Satyrs

Titel: Der Kuss des Satyrs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Amber
Vom Netzwerk:
gebannt an seinen Lippen zu hängen.
    Aus einem vollkommen anderen Grund hatte Jane das jedoch auch getan. Es ließ sich eine Menge über potenzielle Kunden erfahren, wenn man ihre Unterhaltung vor dem Zelt kurz vor ihrem Eintreten belauschte. Mit genügend Informationen ließ sich dann ohne Schwierigkeiten detailliert die Zukunft vorhersagen – obschon ihr Talent nicht gänzlich vorgetäuscht war.
    Der spinnwebenfeine Vorhang vor dem Zelteingang flatterte. Sie machte sich bereit, ihre neuen Kunden zu begrüßen, und ließ den Kopf absichtlich hängen, um ihre Jugend wenigstens zum Teil zu verbergen. Ein paar Strähnen ihres mondfarbenen Haars rutschten unter ihrem Kopftuch heraus, aber sie machte sich nicht die Mühe, sie wieder zurückzustecken. Im schwachen Licht des Zeltinneren würde sie für grau gehalten werden.
    Die verräterische Sanftheit ihrer Hände wurde von schwarzen Spitzenhandschuhen verborgen, die nur die ersten beiden Glieder ihrer Finger freiließen. Sie ließ die Schultern hängen und gab sich den Anschein, als sei sie älter, als sie tatsächlich war. Die rauhe, aus dem Strunk eines Maiskolbens gefertigte Tabakspfeife, die sie sich kalt zwischen die Lippen klemmte, erfüllte denselben Zweck. Sie ließ sie älter wirken und veränderte ihre Stimme. Sie war sehr effektiv, aber es tat weh, das Mundstück für längere Zeit zwischen den Lippen zu halten. Sie waren bereits geschwollen.
    Die Hand eines Mannes teilte den Vorhang. Schwaches Licht erhellte einen Teil des ansonsten in Dunkelheit liegenden Zeltinneren. Beim Anblick dieser starken Finger bekam Jane eine Gänsehaut, Unsicherheit ließ ihren Puls in die Höhe schnellen. Es gab keine Erklärung dafür, aber ihre Intuition und ihr Instinkt drängten sie zur Flucht.
    Sie legte die Hände auf den Tisch und war schon halb aufgestanden, als sie zögerte. Nur selten missachtete sie ihre Gefühle, aber sie hatte noch nicht so viel Geld eingenommen, wie sie es sich für diesen Tag vorgenommen hatte. Sie war erst spät hier angekommen, und alle Zelte waren bereits besetzt gewesen. Erst als die ursprünglichen Nutzer dieses Zelts vor kurzem aufgebrochen waren, war sie eingezogen und hatte angefangen, ihre Künste anzubieten.
    Die Gäste waren wohlhabend und der Abend noch jung. Was sollte sie tun?
    Bevor sie noch einen Entschluss gefasst hatte, waren ihre neuen Kunden bereits hereingekommen. Jane erkannte in der hübschen Signorina eine frühere Kundin. Ein rosiger Schimmer zierte ihre Wangen, der eindeutig den Schmeicheleien ihres Begleiters zuzuschreiben war. Sie war harmlos. Doch der Gentleman, der sie begleitete, war ein anderes Kaliber.
    Als sich ihre Blicke trafen, ging es ihr durch Mark und Bein. Wie ungewöhnlich es doch war, einem Italiener zu begegnen, dessen Augen die Farbe von tiefblauen Bergseen hatten. Ein dichter Kranz dunkler Wimpern umgab sie, und sie spiegelten wider, was er beobachtete, offenbarten aber weder seine Gedanken noch seine Gefühle.
    Seine Haut in goldenem Olivton verriet seine italienische Herkunft. Seine starke Stirnpartie, das kantige Kinn und die scharf geschnittene Nase waren Zeichen eines eigensinnigen Charakters.
    Alles in allem waren seine Züge die eines geradezu umwerfend schönen, wenn auch etwas hochnäsigen, aristokratischen Gesichts, das von einem äußerst muskulösen Körper getragen wurde. Seine Größe war einschüchternd und betrug mit Sicherheit zwei Meter. Mit einem solchen Übermaß an gutem Aussehen erschien er wie ein Gott unter Sterblichen.
    »Wollt Ihr schon gehen?«, fragte er, als er ihre unsichere Körperhaltung wahrnahm.
    Jane versagte die Stimme. Sie starrte in seine seltsamen Augen, stand unschlüssig da und war sich bewusst, dass sie sich gerade zur Idiotin machte. Aber sie schien nichts daran ändern zu können.
    Als sie weiterhin stumm blieb, zog der Mann fragend eine Augenbraue hoch. Er hatte seiner Dame höflich geholfen, Platz zu nehmen, für sich selbst einen zweiten Stuhl von außerhalb des Zelts besorgt und stand nun geduldig da und wartete darauf, dass sie sich setzte. Vielleicht war er es gewohnt, dass Frauen bei seinem Anblick den Verstand verloren.
    »Ich hoffe, mein Gold wird Euch dazu bewegen, noch eine Weile zu bleiben«, sagte er sanft.
    Die Pfeife rutschte aus Janes schlaffem Mundwinkel. Sie fing sie gerade noch auf, bevor sie auf den Tisch knallte. Das Missgeschick führte dazu, dass sie den Blick von ihm abwandte. Der Bann war gebrochen. Ihre Knie gaben nach und zwangen

Weitere Kostenlose Bücher