Der Lambertimord
mehr an Gewicht verloren. Frank wußte nun, warum. van den Hövel war ein gebrochener Mann. Allein seine Faust hielt das doppelläufige Gewehr eisern umklammert. Dabei wirkte die gefährliche Waffe eher wie eine Stütze für den alten Mann, der zusammengesunken in seinem Sessel hockte.
Frank sah auf seine Uhr. Es mußte gleich soweit sein. Er lehnte sich leicht gegen die Küchenwand und wartete. Dabei ließ er seine Uhr nicht aus den Augen. Der Sekundenzeiger schien eine Ewigkeit zu brauchen. Hin und wieder sah er zu van den Hövel hinüber. Aber der saß weiter wie angewurzelt vor dem Fernseher und gab sich seiner Gier hin. Wie konnte ein Mensch nur so weit kommen? Was mußte passiert sein, damit van den Hövel für seine Tochter zu einem Monster geworden war, vor dem es kein Entkommen gab? Weder in Heikes Kindheit, noch bis zu ihrem Tod. Frank war sich sicher, daß van den Hövel sein eigenes Fleisch und Blut getötet hatte. Und er würde auch herausbekommen, warum. Noch auf dem Weg nach Leuth hatte er Staatsanwalt Böllmann bestellen lassen, für einen Durchsuchungsbeschluß zu sorgen. Er wollte, daß in van den Hövels Haus jeder Quadratzentimeter abgesucht würde.
Das laute knisternde Geräusch am Fenster kam für beide, Frank und van den Hövel, völlig überraschend, van den Hövel war mit einem Satz aus seinem Sessel und am Fenster, sein Gewehr hatte er nun in beiden Händen. Frank konnte hören, wie er es entsicherte. Er mußte jetzt handeln. Noch war van den Hövel abgelenkt. Er nahm die Klinke in die Hand und öffnet die Tür mit einem Ruck. Mit der nächsten Bewegung stürzte Frank in den Raum. Dabei riß er eine große Kupfervase um, die mit Plastikblumen gefüllt war. Er war mit einem Hosenbein in ihren weit ausladenden Stielen hängen geblieben. Das Kupferblech schepperte laut auf den nackten Fliesen.
Ecki hatte sich, nachdem Frank ihn alleine gelassen hatte, wieder unter den Fenstern in Richtung Geländewagen bewegt. Auf dem Weg dorthin sammelte er Steinchen, die er aus dem harten Boden kratzen mußte. Er suchte sich eine Position hinter dem schrägstehenden Wagen, von wo aus er die Fenster beobachten konnte, ohne selbst gesehen zu werden zu können.
Er ging in die Hocke und wartete. Von außen sah alles ruhig aus. Frank mußte mittlerweile in der Küche sein. Je länger er wartete, umso mehr kamen Ecki Zweifel, daß sie das Richtige taten. Er hätte sich von Frank nicht überreden lassen dürfen. Was, wenn die Aktion schiefging? Wenn Frank etwas zustieß? van den Hövel war am Ende. Er hatte nichts mehr zu verlieren. Seine von ihm über alles geliebte Tochter war tot. So wie es aussah, war er auch ihr Mörder. Die Polizei war ihm auf der Spur. Sein Leben war zu Ende. Ihm konnte im Zweifel egal sein, ob er noch einen Menschen mehr auf dem Gewissen hatte. Ecki mußte an Masuhr, an Vander und Böskes denken. Auf eine gewisse Weise war van den Hövel auch für ihren Tod verantwortlich. Und für das Leid, das er Markus Jansen und Christa Böskes angetan hatte. Und wem sonst noch. Nicht auszuschließen, daß auch der frühe Tod seiner Frau mit dem schrecklichen Verbrechen an seiner Tochter zu tun hatte. Gut möglich, daß seine Frau etwas geahnt hatte und an dieser Ahnung zugrunde gegangen war. Nach allem, was Ecki und Frank von ihr wußten, mußte sie lange Jahre immer wieder krank gewesen sein. Sie war zweimal in eine Nervenklinik eingewiesen worden. Mehrfach war sie wochenlang in Kur gewesen, ohne daß sich ein Anzeichen von Besserung gezeigt hätte. Elvira van den Hövel mußte eisern geschwiegen und still gelitten haben, denn die Ärzte hatten bis zuletzt vor einem Rätsel gestanden.
Ecki hatte immer noch die Szene vor Augen, die er vor wenigen Minuten hatte mitansehen müssen. Er konnte nur hoffen, daß van den Hövel alleine die Aufnahmen gesehen hatte. Aber wer weiß? Nicht auszuschließen, daß sich hinter der bürgerlichen Fassade der Jagdfreunde ein Kinderpornoring verbarg, der mit den Videos unschuldiger Kinder seine schmutzigen Geschäfte machte. Ecki und Frank würden auch das herausfinden.
Zunächst aber galt es, van den Hövel festzunehmen. Ecki hörte hinter sich ein Geräusch. Er fuhr herum. Staatsanwalt Ralf Böllmann war hinter ihm aufgetaucht. Bei ihm ein Polizeibeamter in Schutzkleidung, den er nicht kannte.
»Mensch, was machen Sie hier für einen Alleingang? Sind Sie wahnsinnig? Sie werden sich dafür verantworten müssen. Holen Sie Ihren Kollegen Borsch zurück, stoppen Sie
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