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Der Landarzt (German Edition)

Der Landarzt (German Edition)

Titel: Der Landarzt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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verpflichtet, ihn vom Himmel zu unterhalten, um den er sich heute unglücklicherweise wenig kümmert. Ich sage unglücklicherweise; denn das Dogma vom künftigen Leben ist nicht nur ein Trost, sondern auch ein brauchbares Werkzeug zum Regieren. Ist die Religion nicht die einzige Macht, welche die sozialen Gesetze sanktioniert? Jüngst haben wir Gott gerechtfertigt. In Ermanglung der Religion sah sich die Regierung gezwungen, den Terror zu erfinden, um ihre Gesetze durchführbar zu machen; aber es war ein menschlicher Terror, er ist vergangen. Wenn nun ein Bauer krank ist, mein Herr, an ein schlechtes Bett gefesselt oder genesend, ist er gezwungen, zusammenhängende Erörterungen anzuhören, und er begreift sie gut, wenn sie ihm klar vorgebracht werden. Dieser Gedanke hat mich zum Arzt gemacht. Ich rechnete mit meinen Bauern und für sie; ich gab ihnen nur Ratschläge von sicherer Wirkung, die sie zwangen, die Richtigkeit meiner Ansichten einzusehen. Dem Volke gegenüber muß man immer unfehlbar sein. Die Unfehlbarkeit hat Napoleon gemacht, sie hätte einen Gott aus ihm gemacht, wenn der Erdkreis ihn nicht bei Waterloo hätte fallen hören. Wenn Mohammed eine Religion geschaffen hat, nachdem er ein Drittel der Welt erobert hatte, geschah es, indem er der Welt das Schauspiel seines Todes entzog. Für den Dorfbürgermeister und den Eroberer galten die nämlichen Prinzipien: Nation und Gemeinde sind ein und dieselbe Herde. Ueberall ist die Masse die nämliche. Endlich habe ich mich denen gegenüber, die ich meiner Börse verpflichtete, streng bezeigt. Ohne diese Festigkeit würden sich alle über mich lustig gemacht haben. Die Bauern sowohl wie die Weltleute schätzen den Mann, den sie betrügen, zuletzt gering. Heißt nicht, genasführt worden sein, einen Akt der Schwäche begangen zu haben? Kraft allein regiert. Niemals habe ich jemandem einen Heller für meine Bemühungen abverlangt, außer denen, die augenscheinlich reich sind; habe sie aber nie über den Preis meiner Bemühungen im unklaren gelassen. Ich schenke keine Medikamente, außer im Falle von Armut bei dem Kranken. Wenn meine Bauern mich nicht bezahlen, so kennen sie doch ihre Schulden; manchmal entlasten sie ihr Gewissen, indem sie mir Hafer für meine Pferde und Getreide bringen, wenn es nicht teuer ist. Der Müller aber bot mir nur Aale als Bezahlung für meine Bemühungen an, da sagte ich ihm, daß er für eine solche Kleinigkeit zu edelmütig sei. Meine Höflichkeit bringt Früchte: im Winter werd' ich von ihm einige Säcke Mehl für die Armen erhalten. Sehen Sie, mein Herr, die Leute haben ein Herz, wenn man es ihnen nicht entmutigt. Heute denke ich besser und minder schlecht von ihnen als in der Vergangenheit!«
    »Sie haben viel Schweres auf sich genommen!« sagte Genestas.
    »Ich, durchaus nicht,« erwiderte Benassis. »Es kostete mich gleich viel, etwas Nützliches wie Albernheiten zu sagen. Im Vorbeigehen, plaudernd, lachend redete ich mit ihnen von ihnen selbst. Zuerst hörten die Leute nicht auf mich, ich hatte viele Widerstände in ihnen zu bekämpfen: ich war ein Bourgeois, und ein Bourgeois ist für sie ein Feind. Dieser Kampf belustigte mich. Zwischen dem Böses-tun und dem Gutes-tun besteht kein anderer Unterschied wie der Frieden seines Gewissens oder seine Unruhe, die Mühe ist die gleiche. Wenn die Schufte sich gut aufführen wollten, würden sie Millionäre, anstatt gehängt zu werden, das ist alles.«
    »Herr,« rief Jacquotte, die hereinkam, »das Essen wird kalt!«
    »Mein Herr,« sagte Genestas, den Arzt beim Arme festhaltend, »zu dem, was ich eben gehört, möchte ich Ihnen nur folgendes bemerken: Ich kenne keine Erzählung der Kriege Mohammeds, so daß ich seine militärischen Talente nicht beurteilen kann; wenn Sie aber den Kaiser während des Feldzuges in Frankreich hätten manövrieren sehen, würden Sie ihn leichtlich für einen Gott gehalten haben. Wenn er bei Waterloo besiegt worden ist, geschah es, weil er mehr als ein Mensch war. Er drückte zu sehr auf die Erde, und die Erde hat sich unter ihm aufgebäumt, das ist's. In allem anderen bin ich übrigens vollkommen Ihrer Ansicht, und, Himmeldonnerwetter!, die Frau, die Sie geboren, hat ihre Zeit nicht verloren.«
    »Auf,« rief Benassis lächelnd, »gehen wir zu Tisch.«
    Das Eßzimmer war vollständig getäfelt und grau gestrichen. Das Mobiliar bestand damals aus einigen Strohsesseln, einer Anrichte, Schränken, einem Ofen, der berühmten Standuhr des seligen Pfarrers und

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