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Der Landarzt (German Edition)

Der Landarzt (German Edition)

Titel: Der Landarzt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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meinen Bann gebrochen, bin ein Hund. Mein Gewehr muß zu Ihnen wandern, aber Sie werden meine Erbschaft haben, wenn Sie's mir nehmen. Der letzte Schuß, den meiner Mutter Sohn abgeben wird, soll meinen Hirnkasten treffen ... Was wollen Sie? Ich habe getan, was Sie gewollt haben; hab' mich den Winter über ruhig verhalten; im Frühling aber war die Kraft zu Ende. Ich kann nicht mehr arbeiten, mein Herz steht mir nicht danach, mein Leben damit zuzubringen, Geflügel fett zu machen; ich kann mich weder bücken, um Gemüse zu hacken, noch beim Wagenfahren die Peitsche in die Luft knallen, noch einen Pferderücken im Stall striegeln; ich muß also vor Hunger krepieren? Nur da oben kann ich gut leben!« sagte er nach einer Pause, in die Berge zeigend. »Seit acht Tagen bin ich dort; ich hatte eine Gemse gesehen, und die Gemse ist dort,« sagte er, auf die Höhe des Felsens hindeutend, »sie steht Ihnen zur Verfügung! Mein guter Monsieur Benassis, lassen Sie mir mein Gewehr! Hören Sie, bei Butifers Ehrenwort! ich werde die Gemeinde verlassen und will in die Alpen gehen, wo die Gemsenjäger mir nichts in den Weg legen werden; ganz im Gegenteil, sie werden mich mit Freuden aufnehmen und ich will dort in irgendeiner Gletscherspalte krepieren. Um offen zu sein: sehen Sie, ich will lieber ein oder zwei Jahre so auf den Höhen leben, ohne weder der Regierung, noch Zöllnern, noch Flurschützen, noch dem Staatsanwalt zu begegnen, als hundert Jahre in Ihrem Bruch verkommen. Nur Ihnen würd' ich nachtrauern, die anderen langweilen mich ja! Wenn Sie Vernunft haben, rotten Sie wenigstens nicht Leute aus ...«
    »Und Louise?« fragte ihn Benassis.
    Butifer versank in Nachdenken.
    »He, mein Junge,« sagte Genestas, »lern' lesen und schreiben, komm in mein Regiment, setz' dich auf ein Pferd und werde Karabinier! Wenn einmal zum Aufsitzen geblasen wird und es in einen wirklichen Krieg geht, sollst du sehen, daß der liebe Gott dich erschaffen hat, um inmitten der Kanonen, Kugeln und Schlachten zu leben, und du wirst General werden.«
    »Ja, wenn Napoleon zurückgekommen wäre,« antwortete Butifer.
    »Du kennst doch unsere Abmachungen?« sagte der Arzt zu ihm. »Bei der zweiten Uebertretung hast du mir versprochen, wolltest du Soldat werden. Ich gebe dir sechs Monate zum Lesen- und Schreibenlernen, dann werde ich einen Familiensohn ausfindig machen, als dessen Stellvertreter du einrückst.«
    Butifer blickte in die Berge.
    »Oh, du wirst nicht in die Alpen gehen!« rief Benassis. »Ein Mann wie du, ein Ehrenmann voller guter Eigenschaften, muß seinem Vaterlande dienen, eine Brigade befehligen, und nicht mit einer Gemse abstürzen. Das Leben, das du führst, bringt dich geradewegs ins Bagno. Deine übermäßigen Arbeiten zwingen dich zu langen Ruhepausen; auf die Dauer wirst du die Gewohnheiten eines müßigen Lebens annehmen, das jede Vorstellung von Ordnung in dir zerstören, das dich daran gewöhnen würde, deine Kraft zu mißbrauchen und dir selber Recht zu verschaffen; und ich will dich trotz deines Widerstrebens auf den guten Weg bringen.«
    »Ich soll also vor Langeweile und Kummer verrecken! Ich erstick', wenn ich in einer Stadt bin. Ich kann's nicht länger als einen Tag in Grenoble aushalten, wenn ich Louise dorthin bringe ...«
    »Wir alle haben Neigungen, die wir entweder bekämpfen oder zu unseresgleichen Nutzen und Frommen anzuwenden lernen müssen. Aber es ist spät, ich hab's eilig. Du sollst morgen zu mir kommen und mir deine Flinte bringen, dann wollen wir von alledem plaudern, mein Kind. Leb wohl. Verkauf deine Gemse in Grenoble.«
    Die beiden Reiter entfernten sich.
    »Das nenne ich einen Mann,« sagte Genestas.
    »Ein Mensch auf üblem Wege,« antwortete Benassis. »Doch, was tun? Sie haben ihn gehört. Ist's nicht jammervoll, solch schöne Eigenschaften verlorengehen zu sehen? Angenommen, der Feind überzöge Frankreich mit Krieg, so würde Butifer an der Spitze von hundert jungen Leuten in der Maurienne einen Monat lang eine Division aufhalten; in Friedenszeiten aber kann er seine Energie nur in Situationen entfalten, wo den Gesetzen Trotz geboten wird. Er muß irgendwelche Kraft zu besiegen haben. Wenn er sein Leben nicht wagt, kämpft er mit der Gesellschaft und hilft den Schmugglern. Dieser Leichtfuß fährt allein auf einem kleinen Boote über den Rhone, um Schuhe nach Savoyen zu bringen; rettet sich schwer bepackt auf eine unzugängliche Bergspitze, wo er zwei Tage, von Brotrinden lebend, bleiben kann.

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