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Der Landarzt (German Edition)

Der Landarzt (German Edition)

Titel: Der Landarzt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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seinen Gedanken; für mich aber war es mehr als ein Kind! War es nicht meine Verzeihung, meine Ehre? Es war mir als Vater teuer, ich wollte es noch lieben, wie seine Mutter es geliebt haben würde, und meine Gewissensbisse in Glück verwandeln, wenn es mir gelänge, ihm den Glauben einzuflößen, daß es nicht aufgehört habe, am Mutterbusen zu ruhen; so hing ich an ihm mit allen menschlichen Banden und mit allen religiösen Hoffnungen. Mein Herz hat also alle Zärtlichkeit besessen, die Gott in ein Mutterherz legt. Des Kindes Stimme machte mich zittern, im Schlafe betrachtete ich es mit einer immer neu entstehenden Freude, und oft fiel eine Träne auf seine Stirn. Ich hatt' es daran gewöhnt, wenn es aufwachte, an mein Bett zu kommen, um sein Gebet herzusagen. Wie viele süße Gemütswallungen hat mir das einfache Gebet des: Vater Unser in dem frischen und reinen Munde dieses Kindes verschafft! aber auch wie viele schreckliche Aufregungen! Eines Morgens, nachdem es: ›Unser Vater, der du bist im Himmel‹ gesagt hatte, hielt es inne und fragte mich:
    ›Warum sagt man nicht: unsere Mutter?‹
    Dies Wort schmetterte mich nieder. Ich betete meinen Sohn an und hatte in sein Leben bereits mehrere Ursachen des Unglücks gesät... Obwohl die Gesetze die Fehltritte der Jugend anerkannt und sie beinahe geschützt haben, indem sie natürlichen Kindern ungern eine gesetzliche Existenz geben, hat die Welt den Widerwillen der Gesetze durch unüberwindbare Vorurteile bestärkt. Aus dieser Zeit, mein Herr, datieren die ernsthaften Erwägungen, die ich über die Grundlage der Gesellschaft, über ihren Mechanismus, über die Pflichten des Menschen und über die Moral angestellt habe, welche die Bürger beseelen muß. Zu allererst überblickt das Genie jene Bande zwischen den Gefühlen des Menschen und den Schicksalen der Gesellschaft; die Religion flößt den guten Geistern die für das Glück notwendigen Grundsätze ein; Reue allein aber diktiert sie den hitzigen Phantasien: die Reue verschaffte mir Klarheit. Ich lebte nur für ein Kind, und durch dies Kind wurde ich zum Nachdenken über die großen sozialen Fragen veranlaßt. Ich beschloß, es persönlich von vornherein durch Heranziehung aller Mittel zum Erfolge auszurüsten, um sein Emporkommen sicher vorzubereiten. Also ließ ich den Knaben Englisch, Deutsch, Italienisch und Spanisch lernen, nach und nach umgab ich ihn mit Leuten dieser verschiedenen Länder, die ihn von Kindheit an an die Aussprache ihrer Sprache gewöhnen sollten. Mit Freuden sah ich glänzende Anlagen in ihm, die ich benutzte, um ihn spielend zu belehren. Nicht einen einzigen falschen Gedanken wollte ich in seinen Geist eindringen lassen, vor allem suchte ich ihn frühzeitig an geistige Arbeit zu gewöhnen, ihm jenen schnellen und sicheren Blick, der verallgemeinert, und jene Geduld zu verleihen, die bis zu den kleinsten Einzelheiten der Besonderheiten hinabsteigt; endlich hab' ich ihn dulden und schweigen gelehrt. Ich erlaubte nicht, daß ein unreines oder nur unsauberes Wort vor ihm geäußert wurde. Infolge meiner Sorgfalt trugen die Menschen und die Dinge, mit denen er umgeben war, dazu bei, ihn zu veredeln, seine Seele zu erziehen, ihm Wahrheitsliebe und Abscheu vor der Lüge beizubringen und ihn einfach und natürlich in Worten, Handlungen und Manieren zu machen. Die Lebhaftigkeit seiner Einbildungskraft ließ ihn schnell die äußeren Unterweisungen erfassen, wie die Fähigkeit seiner Intelligenz ihm seine anderen Studien leicht machte. Welch eine hübsche Pflanze hatte ich zu pflegen! Wieviel Freude haben die Mütter! Da hab' ich begriffen, wie die seinige hatte leben und ihr Unglück ertragen können! Das, mein Herr, war das größte Ereignis meines Lebens; und nun komm' ich zu der Katastrophe, die mich in diesen Bezirk geworfen hat. Jetzt will ich Ihnen also die gewöhnlichste Geschichte, die einfachste von der Welt erzählen, die für mich jedoch die schrecklichste war. Nachdem ich einige Jahre lang all meine Sorgen dem Kinde gewidmet hatte, aus dem ich einen Mann machen wollte, bekam ich Angst vor meiner Einsamkeit; mein Sohn wurde größer, er mußte mich verlassen. Die Liebe war in meiner Seele ein Existenzprinzip. Ich empfand ein Liebebedürfnis, das, immer getäuscht, stärker wieder aufstand und mit dem Alter wuchs. In mir ruhten damals alle Bedingungen einer wahren Zuneigung. Ich hatte sowohl die Glückseligkeiten der Beständigkeit, wie das Glück, ein Opfer in Freude zu verwandeln,

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