Der Lange Weg Des Lukas B.
mitgebracht«, spotteten die Männer, als der alte Mann mit dem Jungen in der Abenddämmerung des ersten Tages zurückkam.
Der alte Mann erwiderte kein Wort und ging in sein Haus. Die Männer versuchten den Jungen auszuhorchen.
»Gar nichts gefangen?«, fragten sie.
»Nein«, antwortete der Junge einsilbig.
»Nicht mal ‘nen Köderfisch gefangen?«
Der Junge zögerte, antwortete aber dann: »Nein, wir haben heute nichts gefangen.«
Da lachten die Männer und schüttelten ihre Köpfe über den alten Mann. »Seit der Karl weg ist«, sagten sie leise, »seitdem ist mit dem Bienmann nichts mehr los.«
Doch der Junge hörte das nicht. Er hatte sich daran gewöhnt, dass hinter seinem Rücken getuschelt wurde, seit sein Vater fortgegangen war.
Der Junge dachte daran, dass der alte Mann der listigste und erfahrenste Eisfischer im ganzen Dorfe war. Tagelang hatte er mit den Männern auf dem Eis gesessen und sich wie sie mit den mageren Köderfischen begnügt, die der Zufall ihm an den Haken spießte. Aber an dem Tage, als sie zum ersten Mal den See für sich allein hatten, hackte der alte Mann das Eis hinter der Landzunge unter einem trockenen Erlengebüsch auf. Schon dachte der Junge, der alte Mann sei nun wirklich verrückt geworden und wolle dicht unter dem Ufer sein Glück versuchen, da sah er, wie er unter die Eisdecke griff, einen dort verborgenen Strick fasste und einen großen, gelöcherten Holzkasten hervorzog. Der Junge packte zu, denn der Kasten war schwer. Endlich hatten sie ihn auf das Eis gehoben. Der Kasten hatte einen verriegelten Deckel. Den öffnete der alte Mann und sagte: »Schau hinein, Luke.« Der Junge spähte in den Kasten. Das Wasser schoss durch die Löcher auf das Eis. Bald sah der Junge, dass es in dem Kasten von Fischen wimmelte.
»Köderfische! Karauschen!«, jubelte der Junge und umarmte den alten Mann so heftig, dass dieser schwankte.
»Karauschen sind die besten, Luke«, sagte der alte Mann. »Sie haben ein zähes Leben.«
Sie griffen einige etwa viertelpfündige Fische heraus, steckten sie in den Netzsack und versenkten den Kasten wieder unter dem Erlengebüsch. Mit den Fischen zogen sie zu dem Eisloch des alten Mannes und der Junge half ihm beim Ködern der Schnüre.
»Wenn du willst, Luke«, sagte der alte Mann, »dann mach dir auch eine Schnur fertig.«
Der Junge schlug, nicht weit von dem alten Mann entfernt, ein Loch ins Eis und senkte seine Schnur hinein. Sie warteten den ganzen Tag, aber sie fingen nichts.
»Morgen«, sagte der alte Mann, als der Junge ihn am Nachmittag fragte, ob die Hechte aus dem See weggeschwommen seien. »Morgen fangen wir Fische. Ich spüre es in den Knochen. Das Wetter wird bald umschlagen. Wenn es anderes Wetter gibt, dann werden die Fische beißen.«
Was der alte Mann vorausgesagt hatte, traf ein. Gegen elf Uhr am nächsten Morgen hatte er schon vier schöne Barsche und zwei Hechte gefangen, jeder Hecht an die fünf Pfund schwer. Dem Jungen waren zwei Barsche an den Haken gegangen. Einmal war ein mächtiger Ruck durch seine Schnur gefahren, aber er war aufgeregt gewesen und hatte zu schnell den Arm mit der Schnur hochgerissen. Da ließ der Fisch den Köder fahren. Geduldig erklärte ihm der alte Mann, was er falsch gemacht hatte. »Komm ganz leise zu mir und schau«, sagte er, »bei mir hat einer gebissen.« Der Junge band seine Schnur an einen Stecken und legte den quer über das Eisloch. Dann schlich er zu dem alten Mann hinüber. Der hielt die Schnur ganz locker zwischen Daumen und Zeigefinger und der Junge sah, wie die fein geknüpften Pferdehaare gleichmäßig ins Wasser glitten.
»Ein Barsch«, sagte der alte Mann. Die Schnur hing eine Weile still und locker im Wasser.
»Schlag an«, sagte der Junge. »Er wird dir sonst abgehen.«
»Wart es ab, Luke. Er schmeckt gerade die Karausche. Wenn er sie fest gefasst hat und jetzt noch einmal loszieht, dann schlage ich an.«
Es dauerte ein, zwei Minuten und der Junge dachte schon, der Fisch sei längst mit der Beute davon, da straffte sich die Schnur wieder und glitt weiter ins Wasser hinein. Der alte Mann saß in der Hocke, jeden Muskel gespannt. Zwei Meter Schnur ließ er noch weggleiten, dann schnellte er hoch und riss sie empor. Mit ruhigen Zügen holte er den Fang ein. Der Junge sah im Wasser des Eislochs die goldene Bauchseite des Fisches aufschimmern, schob den Käscher unter die Beute und hob sie aufs Eis.
»Ein herrlicher Barsch«, jubelte er. »Und schwerer als die anderen ist er
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