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Der Lange Weg Des Lukas B.

Der Lange Weg Des Lukas B.

Titel: Der Lange Weg Des Lukas B. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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liefen im Hof zusammen.
    »Was für ein prächtiger Fisch!«
    »Einen größeren Hecht habe ich nie gesehen.«
    »In das Maul passt ein Männerkopf glatt hinein.«
    Sie klopften dem alten Mann auf den Rücken und ihre Augen funkelten, als ob sie selbst den Fisch an der Leine gehabt hätten. »Lasst die Waage holen«, rief Lenski, einer der Männer, die all die Tage vergebens mit aufs Eis gelaufen waren. »Wir wollen sehen, ob er schwerer ist als der Hecht, den Gustav Krohl vor Jahren aus dem See gezogen hat.«
    »Ja, wir wollen die Waage holen«, stimmte der alte Mann zu.
    Anna und Katinka liefen ins Haus. »Aber zieht euch den Pelz an und auch die Stiefel«, schrie die Mutter ihnen nach.
    Die Lammfellmäntel übergehängt, kamen sie wenig später wieder in den Hof. Anna trug die große Waage, zwei mächtige Messingschalen an einem Doppelarm. Katinka hielt das Brett mit den Gewichten.
    Der alte Mann hängte die Waage an den Querbalken über dem Laubeneingang. Ganz genau über der Marke, die das Gleichgewicht anzeigte, pendelte sich die Zunge ein. Er packte den Fisch und legte ihn vorsichtig auf die eine Schale. Weit hing der Schwanz über den Rand und auch der gewaltige Kopf des Fisches fand keinen Platz in dem Schalenrund. Tief sank die Last. Der Arm, an dem die andere Waagschale hing, schlug bis unter den Balken. Der alte Mann legte die Gewichte hinein, zuerst das Fünfkilostück, dann das Dreikilogewicht, auch das von zwei Kilo und schließlich die beiden Einkilosteine. Aber noch hob sich die Schale mit dem Fisch nicht.
    »Ich hole die Küchengewichte aus dem Haus, Vater«, sagte die Mutter des Jungen. Der alte Mann musste noch einige kleinere Gewichte auflegen, bis endlich der Waagenarm zu zittern begann und sich ins Gleichgewicht hob.
    Der Junge hatte jeden Stein mitgezählt und rief: »28 Pfund und ein halbes wiegt mein Fisch. Er ist mehr als drei Pfund schwerer als der von Gustav Krohl.«
    Die Männer lachten und Lenski fragte den alten Mann: »Was meint der Angeber, Friedrich Bienmann, wenn er sagt ›mein Fisch‹?«
    »Nun«, antwortete der alte Mann, »es ist sein Fisch.«
    Die Männer wollten ihn nicht verstehen und Lenski fragte ihn wieder: »Du hast dem Jungen diesen großen Fisch geschenkt?«
    »Nein. Er hat den Fisch gefangen. Ganz allein hat er den Hecht aus dem See gezogen. Ich habe nicht einmal gesehen, wie er es geschafft hat. Ich war fortgegangen und kam erst zurück, als er ihn aufs Eis stieß.«
    Einen Augenblick verschlug es den Männern die Sprache. Dann aber bildete sich ein Halbkreis um den Jungen. Sie hatten tausend Fragen und merkten gar nicht, dass der alte Mann den Fisch ins Haus trug und die Frauen die Waage wieder an ihren Platz in der Stube hängten.
    »Kommt herein«, lud der alte Mann die Nachbarn ein. »Drinnen ist es warm.« Bald hatten sie ihre Pelze im Flur auf die Haken gehängt, die Stiefel ausgezogen und ihre Pelzmützen ins Genick geschoben. Sie saßen auf der Bank am Kachelofen, der von der Stirnwand des großen Zimmers weit in den Raum hineingebaut war und eine wohlige Wärme ausströmte. Der Junge musste immer wieder ausführlich berichten, wie der Fisch gebissen und gekämpft und wie er ihn schließlich aus dem Loch herausgezogen und mit dem Beil erschlagen hatte. Immer mehr Menschen kamen. Der Fisch war auf den langen Tisch gelegt worden. Die Gäste, die später kamen, betasteten ihn, hoben seine Kiefer voneinander, und als der Fisch steif zu werden begann, klemmten sie ihm ein Holzscheit zwischen die Zähne, damit die Höhle des gewaltigen und mit vielen hundert Hornzacken ausgestatteten Rachens bewundert werden konnte.
    Auch der Lehrer trat in die Stube. Er war ein lang aufgeschossener, hellblonder Mann von etwa 25 Jahren.
    »Ein ungewöhnlich großer Hecht«, lobte er. »Was macht ihr damit?«
    »Was macht man schon mit einem Hecht? Die Bienmanns werden ihn kochen und essen«, antwortete Grumbach, ein junger Zimmergeselle. »Mir läuft bei dem Gedanken an den Fisch das Wasser im Munde zusammen.«
    »Du hast’s nötig«, rief Hugo Labus und tätschelte mit der flachen Hand Grumbachs beträchtlichen Bauch.
    »Ist nur Winterspeck«, verteidigte Grumbach gutmütig seine Leibesfülle.
    »Friedrich Bienmann«, sagte der Lehrer und wandte sich dem alten Mann zu, »was halten Sie davon, wenn Sie den Kopf des Fisches der Schule schenken?«
    »Müssen die Lehrer schon Fischköpfe kochen? Zahlt man ihnen so wenig Gehalt?«, rief Lenski und alle lachten.
    »Nein«, sagte der

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