Der Lange Weg Des Lukas B.
sollte, und gab ihr stumm das schmale Päckchen. »Ich habe an dich gedacht«, sagte er schließlich. »Es ist ein Gürtel aus Klapperschlangenhaut.« Sie nahm das Päckchen und steckte es hastig hinter ihren Schürzenlatz.
»Danke, Luke«, flüsterte sie.
»Ist ein schöner Sommer in diesem Jahr«, fuhr er fort.
»Ja.« Sie griff nach den Wassereimern. Aus dem Mädchen war eine schlanke Frau geworden.
»In Ortelsburg ist am Samstag Kirmes«, sagte er. »Wirst du mit mir gehen?«
»Ich weiß nicht, Luke. Meine Mutter wird’s nicht gern sehen.«
»Ich will ja nicht mit deiner Mutter dorthin«, sagte der Junge. Sie antwortete nicht mehr und trug die Eimer davon.
Es hatte lange gedauert, bis der Junge nach seiner Rückkehr wieder sein Angelzeug zusammensuchte. Die Blätter begannen sich schon leicht zu färben. Er machte sich allein auf den Weg durch die Wälder.
Der alte Mann hatte sich zunächst damit abfinden müssen, dass Zattric eine Zimmerei betrieb. Es war ihm auch keine Genugtuung, dass das neue Unternehmen nicht gut angelaufen war und dass es Zattric gelegentlich Schwierigkeiten bereitete, die Löhne pünktlich auszuzahlen. Aber mit Bienmanns Baugeschäft hatte es auch nicht viel auf sich. In den ersten drei Wochen hatte der Junge dem alten Mann geholfen. Vier Leute konnten eingestellt werden. Aber dann war es so weit, dass der Junge mit seiner Mutter den Laden in Leschinen übernehmen konnte. Sie zogen aus dem schönen Haus in Liebenberg aus.
Der Besitzer des Ladens, ein Herr Kobialla aus Allenstein, war froh gewesen, als sich ein ernsthafter Käufer gefunden hatte. Auf siebentausend Goldmark hatten sie sich geeinigt. Mit einer Anzahlung der Hälfte war Herr Kobialla durchaus einverstanden. Der Rest sollte in gleichen Raten zinsfrei im Laufe von sieben Jahren abgetragen werden. So stand es in dem Vertrag, den sie aufsetzten.
Dieser Kauf hatte wahrscheinlich für den alten Mann den Ausschlag gegeben. Jedenfalls hatte an demselben Abend noch ein langes Gespräch zwischen Zattric und ihm stattgefunden. Das Ergebnis war, dass sie ihre Geschäfte zusammenlegten und als gleichberechtigte Partner zusammenarbeiten wollten.
Der alte Mann schien befreit. Zu Herrn Kobialla sagte er: »Wenn Sie einen Bürgen brauchen, ich habe Übung. Ich kenne den Luke. Ich lege für ihn die Hand ins Feuer.«
»Wozu brauchen wir einen Bürgen?«, wehrte Kobialla ab. »Es steht ja alles im Vertrag. Wenn nicht pünktlich gezahlt wird, dann fällt mir das Haus ja wieder zu.«
»Es wird pünktlich gezahlt«, hatten Mutter und Sohn wie aus einem Munde gerufen.
Der Junge erreichte den See. Er war rings vom Walde gesäumt. Die Lärchen schienen mit Goldstaub übersprüht. Er sah sich um. Die Fichtenschonung auf Liebenberg zu war mächtig in die Höhe geschossen. Deutlich hob sich vor dem dunklen Grün das helle Kleid ab.
»Sie ist also gekommen«, schrie der Junge. Er warf die Rute ins Gras und rannte um die Bucht.
Sie trug den Gürtel aus Klapperschlangenhaut. Er war viel zu lang für ihre schmale Taille. In ihrer Hand hielt sie einen Eimer. »Ich habe die Elritzen mitgebracht, Luke Bienmann. Du brauchst sicher gute Köderfische.«
Sie gingen nebeneinander zum Angelplatz. Sie steckte sich ein Gänseblümchen ins Haar.
Er fing an diesem Tag keinen einzigen Fisch. Die Fische spüren, wenn einer nicht ganz bei der Sache ist.
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