Der lange Weg zur Freiheit
Johannesburg, die vornehmlich von weißen Arbeitern bewohnt wird, die Chris zu integrieren versucht hatte.
Der Tod von Chris war für mich persönlich wie auch für die Bewegung ein großer Schlag. Er war Soldat und Patriot gewesen, der keine Aufgabe als zu gering erachtet hatte. Für die Jugendlichen von Südafrika war er ein großer Held, ein Mann, der ihre Sprache sprach und dem sie zuhörten. Wenn irgend jemand die widerspenstige Jugend hinter eine ausgehandelte Lösung scharen konnte, dann war dies Chris. Südafrika war eines seiner größten Söhne beraubt worden, eines Mannes, der bei der Umgestaltung des Landes in eine neue Nation von unschätzbarem Wert gewesen wäre.
Das Land war in einem fragilen Zustand. Es kamen Befürchtungen auf, Hanis Tod könne einen Rassenkrieg auslösen, wenn die Jugend sich entschlösse, ihr Held solle ein Märtyrer werden, für den sie ihr eigenes Leben hingeben würden. Ich bestieg zum erstenmal einen Hubschrauber, um Chris’ 82jährigen Vater in Sabalele meinen Respekt zu zollen. Sabalele ist eine winzige, staubige Stadt im Cofimvaba-Distrikt in der Transkei, ein mir wohlbekannter Ort, denn es war die Heimat der Matanzima-Familie. Als ich in der Ortschaft ohne fließendes Wasser und ohne Elektrizität eintraf, fragte ich mich verwundert, wie ein so armer, winziger Ort einen Mann wie Chris Hani hatte hervorbringen können, einen Mann, der die ganze Nation mit seiner Leidenschaft und seiner Fähigkeit erregte. Seine Fürsorge für die armen Landbewohner rührte aus seiner Kindheit in Sabalele her, denn seine Wurzeln waren tief und echt, und er hatte sie nie aufgegeben. Chris’ Vater sprach beredt über seinen Schmerz, einen Sohn verloren zu haben, aber auch mit Zufriedenheit, daß er im Kampf gefallen war.
Nach meiner Rückkehr nach Johannesburg erfuhr ich, daß die Polizei ein Mitglied der militanten, rechtsgerichteten Afrikander Weerstandsbeweging (AWB) festgenommen hatte, einen polnischen Immigranten, der gefaßt worden war, nachdem eine mutige Afrikanderin die Polizei verständigt und ihr das Autokennzeichen des Killers mitgeteilt hatte. Der Mord war ein Akt irrer Verzweiflung, ein Versuch, den Verhandlungsprozeß zum Scheitern zu bringen. Ich wurde aufgefordert, an jenem Abend über den Südafrikanischen Rundfunk SABC zur Nation zu sprechen. In diesem Fall suchte der ANC und nicht die Regierung die Nation zu beruhigen.
Ich erklärte, der Friedensprozeß und die Verhandlungen könnten nicht aufgehalten werden. Mit all der Autorität meines Amtes sagte ich: »Ich appelliere an alle unsere Leute, ruhig zu bleiben und das Andenken an Chris Hani dadurch zu ehren, daß wir eine disziplinierte Friedensstreitmacht bleiben.«
»Heute abend wende ich mich tiefbewegt an jeden einzelnen Südafrikaner, schwarz und weiß. Ein weißer Mann, voller Vorurteile und Haß, kam in unser Land und beging eine Tat, die so abscheulich ist, daß unsere ganze Nation am Rande eines Desasters dahinschwankt. Eine weiße Frau, burischer Herkunft, riskierte ihr Leben, damit wir den Mörder ausfindig machen und ihn vor Gericht bringen können… Jetzt ist es Zeit, daß alle Südafrikaner sich zusammenschließen gegen jene, die von allen Seiten her das zu zerstören trachten, wofür Chris Hani sein Leben gab… die Freiheit für uns alle.«
Die Ermordung von Chris war ein Versuch von Verfechtern weißer Vorherrschaft, das Unausweichliche aufzuhalten. Sie wollten lieber, daß das Land in den Bürgerkrieg stürzte, als daß eine Mehrheit mit friedlichen Mitteln regierte.
Wir suchten eine Strategie für den Umgang mit unserer Wählerschaft im ANC zu entwickeln. Um Ausbrüche gewalttätiger Vergeltung zu verhindern, veranstalteten wir eine einwöchige Reihe von Massenversammlungen und Demonstrationen überall im Lande. Das sollte den Menschen dazu verhelfen, ihre Frustration zum Ausdruck zu bringen, ohne zur Gewalt zu greifen. Mr. de Klerk und ich sprachen privat miteinander und kamen überein, wir würden es nicht zulassen, daß der Mord an Chris Hani die Verhandlungen zunichte machte.
In den nächsten Tagen erfuhren wir, daß ein Mitglied der Conservative Party namens Clive Derby-Lewis in Zusammenhang mit dem Mord verhaftet worden war. Das bestätigte erneut die Existenz einer dritten Kraft. Chris selbst hatte einen kürzlichen Diebstahl von Waffen von einer Luftwaffenbasis angeprangert; erste Polizeiberichte legten den Verdacht nahe, daß die Waffe, mit der Chris getötet worden war, aus dem
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