Der lange Weg zur Freiheit
das Land in eine demokratische Zukunft tragen sollte.
Der Record of Understanding veranlaßte die Inkatha zu der Ankündigung, sie werde sich von allen Verhandlungen, an denen die Regierung und der ANC beteiligt seien, zurückziehen. Die Vereinbarung empörte Häuptling Buthelezi, der daraufhin die Beziehungen zur National Party einfrieren ließ und eine Allianz einging mit einer Gruppe von diskreditierten Homeland-Führern und weißen rechtsgerichteten Parteien, die lediglich daran interessiert waren, ein Homeland für Afrikander zu bekommen. Häuptling Buthelezi verlangte die Aufhebung des Record of Understanding, die Beendigung der CODESA und die Auflösung von Umkhonto We Sizwe.
Genau wie Joe Slovo hinsichtlich der Aufgabe des bewaffneten Kampfes die Initiative ergriffen hatte, so machte er nun wieder als erster einen kontroversen Vorschlag: eine Regierung der nationalen Einheit. Im Oktober veröffentlichte Joe ein Papier, in dem er zu bedenken gab, die Verhandlungen mit der Regierung seien keine Waffenstillstandsgespräche, in denen wir einem besiegten Gegner unsere Bedingungen diktieren könnten. Wahrscheinlich werde der ANC Jahre brauchen, um die Schalthebel der Regierung zu kontrollieren, selbst nach einer Wahl. Auch eine ANC-Regierung werde auf große Teile der gegenwärtigen Zivilverwaltung angewiesen sein, um das Land zu führen. Joe schlug eine »Niedergangsklausel« vor, die eine Regierung der nationalen Einheit vorsehe und der National Party für einen bestimmten Zeitraum Teilhabe an der Macht einräume; außerdem solle Sicherheitsoffizieren eine Amnestie gewährt und der Arbeitsvertrag von Zivilbeamten respektiert werden. »Teilhabe an der Macht« galt innerhalb des ANC als unredliche Formulierung und wurde als verschlüsselte Bezeichnung für das Verlangen der Regierung nach einem Minderheits-Veto angesehen. Doch in diesem Zusammenhang bedeutete es lediglich, daß die National Party an jeder allgemein gewählten Regierung beteiligt werde, vorausgesetzt, sie erzielte genügend Stimmen.
Nach ausgedehnter Diskussion befürwortete ich Joes Vorschlag, und am 18. November wurde er vom Nationalen Exekutivkomitee gebilligt. Das NEC erklärte sich bereit, die Teilung der Macht zu befürworten, sofern die Minderheitsparteien kein Vetorecht erhielten. Im Dezember nahmen wir eine neue Runde geheimer bilateraler Gespräche mit der Regierung auf. Sie fanden an fünf Tagen in einer Jagdhütte im Busch statt, und sie erwiesen sich als entscheidend, denn sie bauten auf der Grundlage auf, wie sie mit dem Record of Understanding geschaffen worden war. Bei diesem Treffen im Busch einigten wir uns im Grundsatz auf eine fünfjährige Regierung der nationalen Einheit, in der alle Parteien, die bei einer allgemeinen Wahl mehr als fünf Prozent der Stimmen erzielten, entsprechend ihrem Wahlergebnis im Kabinett vertreten wären. Nach fünf Jahren sollte aus der Regierung der nationalen Einheit eine einfache Mehrheitsregierung werden. ANC und Regierung kündigten im Februar eine prinzipielle Vereinbarung über eine fünfjährige Regierung der nationalen Einheit, ein Mehr-Parteien-Kabinett und die Bildung eines Übergangs-Exekutivrats an. Wahlen sollten bereits Ende 1993 abgehalten werden.
Ich bin immer der Meinung gewesen, ein Mann solle ein Haus in Sichtweite seines Geburtshauses haben. Nach der Entlassung aus dem Gefängnis faßte ich den Plan, in Qunu ein Landhaus für mich zu bauen. Im Herbst 1993 war das Haus fertiggestellt. Es hat den Grundriß jenes Hauses, in dem ich bei Victor Vester gelebt hatte. Die Leute haben das oft kommentiert, doch die Antwort ist simpel: Das Victor-Verster-Haus war das erste geräumige, komfortable Haus, in dem ich je gewohnt habe, und ich mochte es sehr. Ich war vertraut mit seinen Dimensionen, so daß ich in Qunu nachts nicht herumwandern mußte, um die Küche zu finden.
Im April war ich zu einem Kurzurlaub in meinem Haus in der Transkei. Am Morgen des 10. April war ich gerade nach draußen gegangen, um einige Mitglieder der Rugby-Mannschaft der Polizei von Transkei zu begrüßen, als meine Haushälterin herausgelaufen kam, um mir mitzuteilen, da sei ein dringender Telefonanruf. Sie weinte. Ich entschuldigte mich bei den jungen Leuten und erfuhr dann von einem Kollegen, Chris Hani, der Generalsekretär der SACP, früher Stabschef des MK und einer der populärsten Männer im ANC, sei vor seinem Haus in Boksburg aus nächster Nähe erschossen worden. Boksburg ist eine Vorstadt von
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