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Der langsame Walzer der Schildkroeten

Der langsame Walzer der Schildkroeten

Titel: Der langsame Walzer der Schildkroeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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höflich zueinander? Das war es doch gerade, was sie an ihm mochte: laut aussprechen zu können, was sie ganz leise dachte, ohne sich zu schämen, ohne rot zu werden, und jetzt wurde er auf einmal höflich! Unbestimmt, ausweichend. Heuchlerisch. Jawohl, heuchlerisch. Jedes neue Adjektiv rammte sich wie ein Dolch in ihr Herz, und sie stieß munter immer weiter zu. Sie biss in den Rand ihrer Teetasse. Nicholas war derart in seinen Redefluss vertieft, dass er nichts bemerkte. Dahinter steckt doch garantiert ein Mädchen, dachte sie, als sie ihre Tasse Lapsang Souchong wieder abstellte, und in diesem Tee ist Zypresse, da bin ich mir ganz sicher. Ich bin mir sicher. Na gut, was ich, neben vielem anderen, an Gary mag, sind seine Unabhängigkeit und die Tatsache, dass er ruhig und unbeirrt auf sein Ziel zugeht. Was ich nicht mag, ist, dass er mir entgleitet. Ich mag es nicht, wenn Männer mir entgleiten. Und ich mag es auch nicht, wenn sie an mir kleben. Pff, ist das alles kompliziert! Viel zu kompliziert!
    »Und mach dir keine Sorgen wegen der Models, ich besorge dir sechs wundervoll langsame, sinnliche Mädchen. Ich habe auch schon drei Namen im Sinn …«
    »Ich habe aber kein Budget, um sie zu bezahlen«, entgegnete Hortense, erleichtert darüber, dass er sie mit diesem großzügigen Angebot aus ihren fruchtlosen Grübeleien riss.
    »Wer redet denn davon, sie zu bezahlen? Sie werden umsonst für dich laufen. Saint Martins ist eine sehr angesehene Schule, an dem Tag wird dort alles vertreten sein, was in der Modewelt und in den Medien Rang und Namen hat. Sie werden sich darum reißen, meine Liebe …«
    Irgendwann musste es ja so kommen. Er ist schön wie ein Prinz aus Tausendundeiner Nacht , intelligent, witzig, reich, kultiviert, elegant, jede Frau wäre glücklich, ihn einzufangen … Und er ist mir entwischt! Er traut sich nur nicht, es mir zu sagen. Wie fühlt es sich an, verliebt zu sein?, fragte sie sich. Könnte ich mich in Nicholas verlieben, wenn ich mich ein bisschen anstrenge? Nicholas war nicht übel. Und er konnte ihr nützlich sein. Sie rümpfte die Nase. Das passte nicht zusammen, »verlieben« und »nützlich sein«. ICH WILL NICHT, DASS SICH GARY IN EINE ANDERE VERLIEBT . Schon, aber … vielleicht war es ja einfach so passiert. Vielleicht war er deswegen so höflich, ging ihr aus dem Weg. Er wusste nicht, wie er es ihr sagen sollte.
    Sie spürte, wie sich alles Elend der Welt – oder das, was sie für alles Elend der Welt hielt – auf ihre Schultern herabsenkte. Nein, korrigierte sie sich, nicht Gary. Er jagte irgendeiner geilen Schlampe hinterher, die seine ganze Zeit in Anspruch nahm, oder er hatte beschlossen, wieder einmal Krieg und Frieden in einem Zug durchzulesen. Er las das Buch jedes Jahr einmal und verkroch sich dazu in seiner Wohnung. » Sex is about to be slow but nobody is slow today because if you want to survive you have to be quick. « Das war ihr abschließendes Argument. Sie könnte ihre Modenschau mit einem Mädchen enden lassen, das wie im Todeskampf zusammenbrach, während die fünf anderen plötzlich ihre Schritte beschleunigten und das langsame Begehren als Klischee aus einem Kitschroman entlarvten. Keine schlechte Idee.
    »Wie ein Film, der sich beschleunigt und in einem grellen Wirbel endet«, erklärte sie Nicholas, der begeistert zu sein schien.
    »Liebes, du hast so viele Ideen, dass ich dich sofort bei Liberty einstellen würde …«
    Hortense horchte auf.
    »Meinst du das ernst?«
    »Wenn du in drei Jahren dein Studium hinter dir hast …«
    »Ach so«, sagte sie enttäuscht.
    »Vergiss nicht, Langsamkeit macht den Reiz aus … Das hast du selbst gesagt.«
    Sie lächelte ihn an. In ihre großen grünen Augen trat ein Interesse, das ihm nicht entging. Er bat um die Rechnung, zahlte, ohne einen Blick auf den Betrag zu werfen, und fügte hinzu: »Lichten wir den Anker, Kamerad?« Sie nahm die Handtasche von Miu Miu, die er ihr geschenkt hatte, ehe er Tee und Scones bestellte, und folgte ihm.
    Und dort vor dem Aufzug im vierten Stock geschah das Entsetzliche.
    Sie wartete neben der Aufzugtür und schwang ihre neue Handtasche, deren Preis sie auf mindestens sechs- bis siebenhundert Pfund schätzte – er hatte sie ihr derart beiläufig geschenkt, das sie sich fragte, ob er sie nicht aus einer Kiste gezogen und sie sich einfach unter den Arm geklemmt hatte, bevor er das Geschäft verließ. Nicholas telefonierte, sagte ungeduldig »nicht doch, nein«, sie übte, die Tasche von

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