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Der langsame Walzer der Schildkroeten

Der langsame Walzer der Schildkroeten

Titel: Der langsame Walzer der Schildkroeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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öffnete das Wohnzimmerfenster und stellte die Musik sehr laut. Sie lauschte schweigend, neben dem Stuhl kniend. Manchmal drehte er die Lautstärke herunter, um zu telefonieren. Oder etwas in sein Diktiergerät zu sprechen. Man hörte ihn im ganzen Hof. Das ist nicht schlimm, sagte er, sie sind alle in Urlaub gefahren.
    Und dann löschte er das Licht. Schaltete die Musik aus. Ging ins Bett.
    Oder er schlich auf Zehenspitzen hoch, um sich zu vergewissern, dass sie tatsächlich schlief. Sobald die Sonne unterging, musste sie ins Bett. Licht einzuschalten war ihr verboten. Und wozu sollten Sie durch eine dunkle Wohnung laufen?
    Sie musste im Bett liegen, ihr langes Haar über das Kissen gebreitet, die Beine fest zusammengepresst, die Hände auf der Kante des Lakens, und sie musste schlafen. Er beugte sich über sie, vergewisserte sich, dass sie schlief, strich mit der Hand über ihren Körper, und eine gewaltige Lust überschwemmte sie, eine gewaltige Woge der Lust, die sie feucht in ihrem Bett zurückließ. Sie rührte sich nicht, spürte lediglich, wie die Lust sie durchströmte. Wenn er ihr Zimmer betrat, wusste sie nie, ob er sie schlagen würde, sie wecken, weil sie in der Diele ein Stück Papier hatte liegen lassen, oder ob er sich über sie beugen und ihr zärtliche Worte zuflüstern würde. Sie hatte Angst, und sie war so wundervoll, diese Angst, die sich in eine Woge der Lust verwandelte.
    Am darauf folgenden Morgen wusch sie sich noch gründlicher als sonst, damit er keinen Körpergeruch wahrnahm, aber allein der Gedanke an die Lust der vergangenen Nacht ließ sie wieder feucht werden. Ist es nicht seltsam, ich war noch nie so glücklich, obwohl ich nichts mehr besitze. Nicht einmal mehr einen eigenen Willen. Ich habe ihm alles gegeben.
    Und trotzdem war sie ungehorsam: Sie schrieb ihr Glück nieder und versteckte die Blätter hinter der Kaminplatte. Sie schilderte alles. Jede Einzelheit. Und dadurch erlebte sie die ganze Lust und die ganze Angst noch einmal aufs Neue. Ich will diese wunderbare, reine Liebe aufschreiben, um sie wieder und wieder nachlesen und dabei Tränen des Glücks vergießen zu können.
    Innerhalb von acht Tagen habe ich einen weiteren Weg zurückgelegt als in den siebenundvierzig Jahren meines Lebens.
    Sie war genau die Frau geworden, die er aus ihr hatte machen wollen.
    Endlich glücklich!, murmelte sie, bevor sie einschlief. Endlich glücklich!
    Sie verspürte nicht mehr das Bedürfnis nach Alkohol, und ab morgen würde sie auch die Schlaftabletten weglassen. Ihren Sohn vermisste sie nicht. Er gehörte zu einer anderen Welt, jener Welt, die sie hinter sich gelassen hatte.
    Und endlich kam der Abend, an dem er sie abholte, um sie zu heiraten.
    Sie erwartete ihn barfuß, in ihrem elfenbeinfarbenen Kleid, mit offenem Haar. Er hatte ihr befohlen, im Wohnungsflur auf ihn zu warten, wie eine wunderschöne Braut, die sich anschickt, den Gang zum Altar anzutreten. Sie war bereit.
    Roland Beaufrettot war stinksauer. Erbittert kaute er an diesem Abend auf dem Mundstück seiner Pfeife herum, spuckte einen gelben Saft aus und schimpfte über die Scheißgesellschaft, die ihren ganzen Scheißdreck nicht mehr im Griff hatte und in der jeder gefälligst selbst zusehen sollte, wie er mit seiner Scheiße klarkam!
    Man hatte ihm erzählt, dass eine Bande von Technofreaks nach einem Feld suchte, auf dem sie einen »geilen Rave« veranstalten konnten. Ich geb euch gleich ’nen geilen Rave! Diese verdammten Junkies werden mir mein Feld ruinieren. Man hatte ihm auch gesagt, dass sie nachts auf Erkundungstour gingen. Die sollten bloß kommen, diese hirnamputierten Typen, hier würden sie ihr blaues Wunder erleben! Sie würden ratzfatz vor seinem Karabiner landen, und, hastenichgesehen, ballere ich diesen Clowns eine Ladung Schrot in den Arsch, dass sie sich mit vollgeschissenen Hosen vom Acker machen, und zwar zackig!
    Diese Felder, diese Wälder, diese Lichtungen kannte er in- und auswendig. Er wusste, über welche Wege die Maiglöckchendiebe kamen, die Pilzdiebe, die Kastaniendiebe, die Kaninchendiebe, diese ganzen Typen, die ihm all das wegklauten, was bei ihm auf den Tisch kam und dafür sorgte, dass er was zu beißen hatte. Er würde sich sein Land nicht auch noch zusätzlich von lärmenden, zugedröhnten Scheißkerlen verwüsten lassen!
    Und so kroch er nun vorsichtig durch das Gestrüpp, das sein Feld umgab. Es war ein schönes Feld; schön und gut versteckt. Man musste schon wissen, wo es war, um es

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